Verteufelte Wölfe

Das Metaphernfestival mit Wolfsburg und Kaiserslautern endet zwar nicht friedlich, aber dafür schiedlich 0:0

KAISERSLAUTERN taz ■ Seit der 1. FC Kaiserslautern vor knapp drei Jahren mit einem 4:0 gegen den VfL Wolfsburg seinen letzten Meisterschaftsgewinn perfekt machte, gibt es eine besondere Verbundenheit zwischen beiden Teams. Wolfsburgs Trainer Wolfgang Wolf wuchs nur 25 km vom Betzenberg entfernt auf und war lange selbst ein roter Teufel, er hat fünf ehemalige FCK-Spieler in seinen Reihen (Reitmaier, Hengen, Greiner, Wagner, Rische) und das 0:4 der Lauterer am zweiten Spieltag der Vorrunwar der Beginn der Revolution von Spielern und Zuschauern gegen den selbstherrlichen Otto Rehhagel, der wenige Wochen später aufgeben musste. Ein gern gesehener Gast in der Pfalz sind die Niedersachsen aber trotzdem nicht. Seit der Schlappe von 1998 hat der VfL gegen den FCK nicht mehr verloren, diese Serie hielt auch beim 0:0 am Samstag.

Seit Rehhagels Abschied ist in Kaiserslautern alles anders geworden. Man baut nicht mehr auf einen allmächtigen Trainer, sondern auf Teamchef Andreas Brehme und seinen Co-Trainer Reinhard Stumpf, die den Muff von Otto und Beate aus der Kabine vertrieben, mit den Privilegien einzelner Spieler brachen und ihre Hierarchie nach Leistung etablierten. Doch gegen den VfL Wolfsburg scheint sich bei den Lauterern eine Sperre in den Gehirnen einzuschalten, noch ehe das Spiel beginnt.

Dass es zehn Wolfsburger nach dem Platzverweis für Marino Biliskov schafften, das 0:0 über die Zeit zu bringen, lag vor allem an der Unfähigkeit des 1. FCK, sich Chancen zu erarbeiten und die wenigen Gelegenheiten zum Toreschießen zu nutzen. Während Wolfsburgs Reitmaier wenigstens ab und zu etwas zu halten bekam, bemerkte sein Gegenüber Georg Koch sarkastisch: „Ich habe keinen Ball aufs Tor bekommen und meine Aufgabe überzeugend gelöst.“

In der Abwehr spielte der VfL jedoch diszipliniert. Der umsichtige Hengen, der Jörgen Pettersson nicht aus den Augen lassende Nigerianer Emeka Ifejiagwa und die klug die Fäden ziehenden Krysztof Nowak und Dietmar Kühbauer sorgten dafür, dass das Spiel der Lauterer in Richtung der berüchtigten Westtribüne in den zweiten 45 Minuten erfolglos blieb. Dass San Sebastian in der Primera División auf dem letzten Platz steht, liegt sicher auch daran, dass der Österreicher Kühbauer nach Wolfsburg verkauft wurde. Und wer es sich leisten kann, über die Abstellung von Jonathan Akpoborie und Charles Akonnor zur WM-Qualifikation kein Wort zu verlieren und Dorinel Munteanu 90 Minuten auf der Bank lässt, hat unendlich viel Vertrauen in eine hervorragende Mannschaft.

Die Höhepunkte des Spiels? Man muss sie mit der Lupe suchen. Die ersten 20 Minuten waren so schlecht, dass sogar die Fußballgöttin grollte, es erst dunkel werden und dann einen in der Pfalz noch nie erlebten Schneesturm über dem Stadion wüten ließ. Schnell war der Boden rutschig und wurde fortan als Entschuldigung für den grausamen Kick vorgebracht. Nach einer Viertelstunde pseudopolaren Staunens über diese Naturgewalt wurde es plötzlich ganz hell. Kurz darauf zückte Schiedsrichter Krug die Rote Karte für Biliskov, der gegen Pettersson die Notbremse gezogen hatte.

In der zweiten Halbzeit war es mit dem Naturschauspiel vorbei, nicht aber mit Wolfgang Wolfs Kunst der Improvisation. Angeführt von seinem Neuzugang Nenad Bjelica von NK Osijek rückte der 1. FCK zwar vor, stand sich aber selbst im Weg, wenn es darum ging, Reitmaier zu bezwingen. Buck übersah bei seinem Alleingang in der 75. Minute den frei stehenden Djorkaeff, Strasser und Bjelica zielten ungenau. Acht Minuten vor Schluss kam Stimmung im Stadion auf. Doch die Fans regten sich nicht über Jörgen Pettersson auf, der für seinen Versuch, einen Elfmeter zu schinden, die Gelbe Karte sah, sondern über den bei ihnen verhassten Reitmaier, der sich zu Recht über die Unsportlichkeit des fallsüchtigen Schweden beschwerte.

Umsonst warteten die Lauterer unter den 36.787 Zuschauern im Fritz-Walter-Stadion in der großzügig gewährten Nachspielzeit auf die Vollendung dieses ungewöhnlichen Fußballnachmittags. Doch das so oft bestaunte Finale mit dem erlösenden Tor in allerletzter Minute blieb diesmal gerechterweise aus.

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