Bäckers Brummen

Armer Thommy! So viel Ärger. Und doch kein Grand Prix. Aber der wird’s verkraften, meint Jürgen Meier-Beer

Eine verlorene Saalwette – und die „Bild“-Nation stand Kopf: Hatte sich Thomas „Haribo“ Gottschalk seine Teilnahme an der deutschen Vorauswahl zum Grand Prix Eurovision am 2. März in Hannover erschummelt? Waren etwa Männer und Frauen vor neun Tagen in Bremen daran gehindert worden, die „Wetten, dass ...“-Wette zu erfüllen? Das ZDF bestritt – und Gottschalk begann womöglich, um seinen guten Ruf zu fürchten. Am Wochenende erklärte der Moderator via „Bild“, seine Teilnahme am deutschen Grand-Prix-Vorentscheid zu stornieren: „Mein Gaudi-Auftritt wurde zum Heiligen Krieg. In Ehren ergraute Klassenkameraden von mir sollten über meine Musiknoten Auskunft geben, und irgendein Nerv-Reporter verfolgte meine Mutter bis ins Krankenhaus, wo sie zum ersten Mal in ihrem Leben was von Zlatko hörte. Ich hisse die weiße Flagge und ergebe mich.“ Zlatko bleibt im Übrigen in der Konkurrenz. Ein Gespräch mit Jürgen Meier-Beer vom NDR, der seit 1996 für den Grand Prix in Deutschland verantwortlich ist.

taz: Herr Meier-Beer, fühlen Sie sich durch die Absage von Thomas Gottschalk düpiert?

Ich bedaure, dass Thomas Gottschalk so viel Ärger hatte. Er wollte doch nur ein guter Wettverlierer sein. Und sich wie die anderen dem Wettbewerb stellen.

Wobei er die Anmeldefrist krass überschritten hatte.

Gottschalk wäre von der Firma Warner Music eingebracht worden, regulär im Jahr 2002. Die Vorverlegung auf das Jahr 2001 hatte ich mit allen anderen beteiligten Plattenfirmen aber vorsorglich abgestimmt. Auch alle anderen Teilnehmer sind immer wieder davon abhängig, dass ich in den Formalien flexibel bin.

War Gottschalk nicht mit Bild im Rücken privilegiert?

Es gibt Musiker, die mit PR-Unterstützung antreten. Und andere, die ausschließlich auf ihre musikalische Substanz setzen. Corinna May hat vor zwei Jahren gezeigt, dass auch unbekannte Musiker siegen können.

Gottschalk hätte womöglich genauso haushoch gewonnen wie einst Guildo Horn oder Stefan Raab – allein ihrer Prominenz wegen.

Im Rückblick wissen wir, dass alle Sieger aktuelle Trends repräsentiert haben. Ob das bei Gottschalk der Fall gewesen wäre, werden wir nun leider nicht mehr erfahren.

Alles Klamauk? Der Grand Prix war mal ein Texter- und Komponistenwettbewerb.

Und ist er noch immer. Das Verfahren, die Titel durch die Plattenfirmen einreichen zu lassen, widerspricht dem doch überhaupt nicht. Die haben doch mehr Know-how, um die richtigen Komponisten und Texter zu engagieren, als irgendwelche Jurys oder gar nur ich. Erst das Verfahren, die Plattenfirmen einzubeziehen, hat den Grand Prix in Deutschland wieder interessant gemacht.

Sie finden, Hauptsache Quote, wohl jeden Teilnehmer gut.

Ich bin kein Geschmackszensor, sondern präsentiere das, was die Plattenfirmen für erfolgsträchtig halten. So ergibt sich hoffentlich ein repräsentativer Überblick über alles, was die deutsche Musikszene aktuell ausmacht.

Was hätte Gottschalk mit aktuellen Trends zu tun gehabt?

Insider wissen, dass der Grand Prix ein Gradmesser für die wahren aktuellen, kulturellen Befindlichkeiten in unserem Land ist. Hätte „Gottschalk und die besorgten Väter“ mit ihrem Titel „Was wurde aus Rock ’n’ Roll“ gewonnen, wäre das ein Hinweis auf einen Trend gewesen – und wenn nicht, dann nicht.

Fürchten Sie nach Gottschalks Absage um den Erfolg Ihrer Sendung?

Schon vor Gottschalks Anmeldung wusste ich, dass diese Sendung spannend wird – ich nenne nur Sänger und Sängerinnen wie Joy Fleming, Wolf Maahn, Michelle. Der Gottschalk-Wirbel hat das Interesse am Grand Prix sicher nicht beeinträchtigt.

Der Wirbel hat doch das Produkt „Deutscher Grand Prix“ im Gespräch gehalten.

Mir wäre lieber gewesen, Gottschalk wären die unberechtigten Anwürfe erspart geblieben. So oder so: Die Sendung wird dann eine gute Quote haben, wenn sie die unterschiedlichen musikalischen Interessen möglichst vieler Zuschauer anspricht.

Das klingt zu und zu rührselig. Steckt hinter ihrem Konzept nicht das Kalkül, dass jede Bild -Schlagzeile, und sei sie noch so negativ, besser ist als gar keine Schlagzeile?

Ich bin wie ein Bäcker, der seine Brötchen nicht für sich selbst bäckt, sondern für seine Kunden. Das geht nur, wenn man alle seine Brötchen selbst auch gerne mag. Die einen Brötchen schmecken besser, die anderen sehen schön aus, und die dritte Sorte gab es immer. Jedenfalls: Nur mit nüchternem Kalkül hält kein Bäcker seinen Laden am Brummen.

INTERVIEW: JAN FEDDERSEN