Die neuen Trampel im Pentagon

Die neue US-Regierung hält verbissen am Vorhaben eines Nationalen Raketenabwehrsystems fest. China, Russlandund die EU sind dagegen. Derweil erklärt der neue Verteidigungsminister en passant die ABM-Verträge für überholt

von BERND PICKERT

Die neue US-Regierung gibt sich alle Mühe, dem ihr vorauseilenden Ruf als außenpolitischer Grobian gerecht zu werden. Vor allem haben sich George W. Bush, sein Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Außenminister Colin Powell in die Idee verrannt, das umstrittene und politisch gefährliche Nationale Raketenabwehrsystem (NMD) unbedingt einzuführen. Am Freitag wurden die beiden Minister förmlich vereidigt. Eine „klare, konsequente und selbstsichere“ Außenpolitik würden die USA betreiben, sagte Bush bei dieser Gelegenheit, und weder Powell noch Rumsfeld ließen es sich nehmen, die Befürchtungen der Partnerländer, allen voran Russlands, kleinzureden.

Russland hatte stets darauf hingewiesen, eine Nationale Raketenabwehr verstoße gegen den ABM-Vertrag über Interkontinentalraketen von 1972. Schon in der Anhörung zu seiner Bestätigung im Senat hatte Rumsfeld den ABM-Vertrag als „Geschichte aus der Vorzeit“ bezeichnet. Die Welt sei heute eine ganz andere, die Sowjetunion sei verschwunden und „die wesentlichen Bedrohungen der Vereinigten Staaten sind einfach nicht mehr die eines strategischen nuklearen Schlagabtauschs mit der Sowjetunion“. Ob die USA zukünftig in allen internationalen Fragen bezweifeln wollen, dass Russland die Rechtsnachfolge der UdSSR angetreten hat, sagten weder Powell noch Rumsfeld.

Russlands Premierminister Wladimir Putin sah da klarer: Er sprach sich am Freitag noch einmal eindeutig gegen die Raketenabwehrpläne der USA aus und drohte, seinerseits ebenfalls alle bestehenden Abrüstungsverträge für nichtig zu erkären, sollten sich die USA tatsächlich einfach aus dem ABM-Vertrag zurückziehen.

Dabei hatte Bush am Freitag angekündigt, einseitig Atomwaffen abzubauen, auch über den Stand dessen hinaus, was in den verschiedenen Verträgen mit Russland vereinbart sei. Im Übrigen seien Stäbe von Außen- und Verteidigungsministerium damit beschäftigt, insbesondere Russland und China zu besänftigen.

Ganz sicher scheint dabei nur, dass sich die Bush-Regierung nicht von ihren Plänen abbringen lassen wird, den atomaren Schutzschild auf den Weg zu bringen. Präsident Clinton hatte die Projekte vor zwei Jahren zunächst wieder auf Eis gelegt, nachdem gleich mehrere Tests der geplanten Prototypen für den Abschuss hereinkommender Raketen versagt hatten. Ohnehin war Clinton mit den Ergebnissen einer – vom heutigen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld geleiteten – Expertenkommission nicht glücklich, die entgegen den damaligen Plänen und Annahmen des Pentagon nahe legte, ein Raketenschutzschild sei nötig, um sich gegen potenzielle Angriffe aus „Schurkenstaaten“ wie etwa Nordkorea oder Irak zu verteidigen.

Die technischen Schwierigkeiten beeindrucken Bush nicht – er will das Schutzschild. Militärexperten aus den USA und China, schreibt die New York Times am Wochenende, entwerfen bereits gemeinsame Modelle, um zu versuchen, den durch Bushs Beharren auf dem Raketenabwehrsystem entstehenden Schaden möglichst gering zu halten. China befürchtet, sein eigenes atomares Bedrohungspotenzial könnte durch ein funktionierendes US-Schutzschild neutralisiert und das Gleichgewicht zerstört werden.