„Kontrolle löst sich in nichts auf“

■ Grüne reichen mit CDU- und SPD-Unterstützung Klage ein: Der Staatsgerichtshof soll klären, wo die Grenzen für die Auslagerung hoheitlicher Aufgaben an private Gesellschaften liegen

Das Beleihungsgesetz ist „verfassungswidrig und nichtig“. Das ist der Kern der Klage, die die Grünen gestern beim Staatsgerichtshof eingereicht haben. Das Gesetz ermöglicht, dass das Land immer mehr originär staatliche Aufgaben innerhalb privater Rechtsformen erledigen lässt. Zu viele, finden die Grünen und mit ihnen Anwalt Waldemar Klischies sowie Rechtsprofessor Dian Schefold, der bereits ein Gutachten zum Thema erstellt hat, auf dem diese Klage fußt.

So läuft die gesamte Wirtschaftsförderung über die „Bremer Investitions-Gesellschaft mbH“ (BIG), die dem Land zwar gehört, aber dennoch eine Privatgesellschaft ist. Hoheitliche Aufgaben, wie etwa die Erstellung von Zuwendungsbescheiden, werden dort wahrgenommen. „Subventionen sind Ermessenssache“, kritisiert Klischies, „diese Spielräume werden von einer privaten Gesellschaft genutzt.“

Zweites Beispiel: Bei der geplanten Ausgründung der Arbeit Bremen GmbH wird die staatliche Arbeitsförderung abgegeben. Dazu sagt Grünen-Fraktionschefin Karoline Linnert, die betont, dass die Klage Teil einer Gesamtpolitik gegen den „Konzern Bremen“ ist: „Private Gesellschaften sind verpflichtet, nach betriebswirtschaftlichen Kriterien vorzugehen. Das Gesetz schließt durch keine Vorschrift aus, dass zum Beispiel die Beratung runtergefahren wird, um die Gehälter zu erhöhen.“

Drei „Problemkreise“ nennt Klischies, über die der Staatgerichtshof urteilen soll. Erstens: Wer entscheidet über die Beleihung? Zwar hat der Senat das Parlament bislang an allen Auslagerungs-Entschlüssen beteiligt; laut Beleihungsgesetz muss er das aber nicht. Nach Ansicht des Anwalts widerspricht das der Landesverfassung, in der ähnliche Fälle unter Parlamentsvorbehalt stehen.

Zweitens geht es um die Grenzen der Beleihung. „Kann ich Aufgaben der Polizei ausgliedern?“ – so ein Extrembeispiel des Anwalts. Die Kläger argumentieren, dass schon bei der BIG und Arbeit Bremen GmbH die Grenzen überschritten sind. Demokratierechtlich ist drittens problematisch, dass die Kontrolle der Gesellschaften durch das Parlament nur unzureichend gewährleistet sei. Zwar kann die Bürgerschaft den zuständigen Senator zur Kontrolle einer Gesellschaft auffordern – sie muss es aber nicht. Die Opposition allein hat diese Möglichkeit also nicht. Außerdem, so Schefold, breche sich die formale Möglichkeit der Kontrolle am Eigeninteresse der GmbH: „Damit löst sich die Kontrollmöglichkeit faktisch in nichts auf“.

Mindestens 20 Abgeordneten müssen eine solche Klage unterstützen, im Parlament sitzen aber nur zehn Grüne. Deshalb haben je fünf CDU- und SPD-ParlamentarierInnen die Klage unterschrieben. Ohne Unbehagen, wie die beiden Fraktionschefs Jens Eckhoff (CDU) und Jens Böhrnsen (SPD) betonen. Beide verweisen auf die Koalitionsvereinbarung, die die Unterstützung der Opposition in einer Reihe von Minderheitsrechten vorsieht, so auch im Fall der Anrufung des Staatsgerichtshofes. Eine „Selbstverständlichkeit“, so Eckhoff, wenngleich die Klage kein Thema innerhalb der Fraktion sei. Nach CDU-Meinung gibt es genügend Kontrollinstrumente des Parlaments, die Grünen müssten sie nur zu nutzen wissen. Jens Böhrnsen sieht für die Klage „keine Erfolgs-aussichten“, schließlich „haben wir das Gesetz ja verabschiedet, weil wir es für verfassungsrechtlich unbedenklich hielten.“ In Sachen parlamentarischer Kontrolle gebe es Handlungsbedarf, „aber das ist vor allem eine politische Frage.“

Zu der Klage müssen nun Bürgerschaft und Senat eine Stellungnahme erarbeiten. Anwalt Klischies hofft „noch in dieser Legislaturperiode“ auf ein Urteil. Dann werde man sehen, so Karoline Linnert, „ob der Senat das heilen kann, oder ob alles in die Luft fliegt.“ hey/sgi