Raumlose Betrachtungen

■ Die Fotokünstlerin Gisela Bullacher in der Produzentengalerie

An Regenpfützen mangelt es in Hamburg wahrlich nicht. Die meis-ten werden sie als störende Fle-cken- und Feuchtigkeitsquellen kennen; nicht zuletzt sind sie Indiz für die teilweise katastrophalen Zustände der hiesigen Rad- und Gehwege. Mit Wasser als trennender Membran zwischen oben und unten, zwischen Höhen und Tiefen hat sich die Fotokünstlerin Gisela Bullacher in ihren neuesten Arbeit beschäftigt, die anlässlich der Verleihung des Erwin-Scharff-Preises der Stadt Hamburg zum ersten Mal in der Produzentengalerie zu sehen sind. Denn wer nach unten in die Pfütze blickt, sieht auch nach oben – die glatte Wasseroberfläche reflektiert die Wolken, den Himmel und die umstehenden Bäume.

Ursprünglich auf der Suche nach Motiven für ihr Höhlenprojekt (ein Bild der Ausstellung), entdeckte Bullacher 1999 einen Teich, von dem jetzt in der Produzentengalerie drei Aufnahmen zu sehen sind, die – vor allem farblich – unterschiedlicher nicht sein könnten: Mal scheint der sandige Untergrund durch (Grund), mal wirkt das Bild wie eine Unterwasseraufnahme (Blaue Quelle“, mal spiegelt das Wasser klares Grün (Grünes Wasser).

In ihren früheren Arbeiten hat sich Gisela Bullacher bereits ausführlich mit dem Fliegen und (scheinbarer) Schwerelosigkeit beschäftigt. Vor weißem, schattenfreiem Grund wirkt da ein Bungee-Springer wie ein verlorener Faden auf dem Papier, und eine Modelleisenbahn sieht aus, als könnte sie fliegen. Viele der damaligen Aufnahmen sind schwarzweiß; mit Farbe hätte sie einen Schwebezustand wie in Bungee nicht erzeugen können, erklärt sie. „Die blaue Farbe des Himmels wäre zu dominant, und die Bilder hätten nicht dieses Moment von Transparenz und Leichtigkeit. In den Schwarzweiß-Aufnahmen jedoch erscheint der blaue Himmel weiß.“

Im Lateinischen bezeichnet „altum“ sowohl die Gegensätze Höhe und Tiefe als auch Ferne; damit fasst der Begriff die ästhetischen Prinzipien der Fotokünstlerin zusammen. „Es ist immer eine Frage der Perspektive“, sagt Bullacher. „Den Flugbildern fehlt die Darstellung des Raums. Nur das Motiv, der abgebildete Gegenstand, erzeugt den Raum.“

Die eindringlichen Farben und wundersamen Formen auf ihren neuen Bildern könnten einen auf den Gedanken bringen, sie wären in südamerikanischen Tropen aufgenommen. In Wirklichkeit sind sie aber sämtlich in Süddeutschland entstanden. Ob sich die Künstlerin vorstellen kann, für neue Motive in exotische Gegenden zu reisen? „Wenn ich eine Reportage über den Amazonas sehe, denke ich, das wäre schon schön. Aber dann stelle ich immer fest, dass ich die Bilder auch hier finden kann.“ P.S. : Das Motiv „Pfütze“ ist übrigens als Postkarte zur Ausstellung erhältlich. Christian T. Schön

Bis 3. März, Produzentengalerie, Admiralitätsstr. 71