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vergiss den chinesen nicht, wenn du ins theater gehst

von RALF SOTSCHECK

Wer in Nordirland ins Theater geht, sollte künftig einen Chinesen mitnehmen. Oder eine Frau. Am besten eine chinesische Frau, wegen der Quotierung. Sonst wird es das Theater bald nicht mehr geben. Das Kulturamt in Belfast, das solche Veranstaltungen sponsert, hat einen Fragebogen entworfen, der von den Geldempfängern ausgefüllt werden muss. Schließlich geht es nicht darum, irgendwelche Kulturprojekte zu fördern, sondern sie müssen eine soziale Aufgabe erfüllen – zum Beispiel Minderheiten einbeziehen.

Die vom Kulturamt finanzierten Projekte sollen die Zusammensetzung ihres Publikums in Prozentzahlen auflisten. Gefragt wird nach Frauen, Chinesen, Indern, Juden, pakistanischen Muslimen, Zigeunern, Afrikanern und anderen. Bei Frauen ist es einfach. Die kann man diskret am Eingang zählen, jedenfalls ungefähr. Aber woran erkennt man einen pakistanischen Muslim? Gibt es überhaupt welche in Nordirland? Bringen sie womöglich Teppiche mit und beten in der Pause ein wenig? Und wie zählt man Zigeuner? Vielleicht anhand ihrer hölzernen Pferdewagen auf dem Parkplatz. Oder muss der Veranstalter zu Beginn der Vorstellung um Handzeichen bitten? „Alle Juden, bitte die Hand heben!“ Zählen Jüdinnen doppelt, weil sie in zwei Kategorien auftauchen?

Wie hoch der Anteil von Protestanten und Katholiken ist, die ja zweifellos den Hauptanteil der nordirischen Bevölkerung ausmachen und eine konfliktreiche Geschichte hinter sich haben, will das Kulturamt nicht wissen. Oder sind die mit „Andere“ gemeint? Die Sprache interessiert das Amt hingegen sehr: „Auf welche Sprachgruppe zielen Sie ausdrücklich bei Ihrer Arbeit ab?“ Die beiden möglichen Antworten sind Gälisch und Ulster-Schottisch. Was ist mit Englisch? Müssen die Chinesinnen jetzt eine neue Fremdsprache lernen?

Peter Sirr, der Direktor des Irischen Schriftstellerzentrums, sagt: „Kunst und Künstler müssen sich offenbar rechtfertigen, indem sie diejenigen ansprechen, die vom Staat im Stich gelassen werden. Dahinter steckt die Ansicht, dass ein künstlerisches Projekt gescheitert ist, wenn es nicht genügend Menschen aus bestimmten Zielgruppen anzieht.“ Solch ein Fragebogen sei höchstens in London sinnvoll, meint Sirr, doch Nordirland sei der am wenigsten ethnisch gemischte Teil des Vereinigten Königreichs.

Vor allem gibt es dort ein ehernes, noch aus den Zeiten des Konflikts stammendes Prinzip: „Was auch immer du sagst – sag nichts.“ Wahrscheinlich bleiben Katholiken und Protestanten deshalb künftig lieber weg. Dann werden die Veranstaltungen nur noch von Minderheiten besucht und sind besonders förderungswürdig.

Man kann sich die Strategie des Amtes zunutze machen. Der Schriftsteller und Verleger John McGuffin aus Derry hat ein Inserat aufgegeben: Er sucht eine schwerhörige, spastische, pakistanische Muslimin, die ein Buch auf Gälisch über die Rivalität zwischen Sunniten und Schiiten im Freizeitclub der nordirischen Grenzstadt Crossmaglen schreibt. Dafür müsste das Kulturamt ein Vermögen herausrücken.

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