Mit Geldstrafe noch ministrabel

■ Wie ein hartes Urteil von Richter Schill gegen einen Rotfloristen Hamburgs Justiz zwei Jahre lang beschäftigt

Es war gestern das vierte Mal, dass ein Gericht über eine Straftat von Andreas B. (35) zu urteilen hatte, die nach Meinung vieler Juristen keine ist. Das Delikt: Andreas B. hatte im Februar 1998 zusammen mit drei weiteren Rot-Floristen drei PolizistInnen heftig angefahren, die gegen zwei Junkies nahe dem „Fixstern“ einen Platzverweis aussprechen wollten. „Lasst das, sonst gibt es mächtig Ärger“, soll er gesagt haben. Die Ordnungshüter fühlten sich durch die Worte eingeschüchert, ihr herbeigeeilter Einsatzleiter hingegen sah darin kein Vergehen.

Amtsrichter Ronald Schill allerdings schon. Im Mai 1999 verdonnerte er Andreas B. „generalpräventiv“ wegen Nötigung zu 15 Monaten Haft ohne Bewährung. Schließlich könnten keine „rechtsfreien Räume“ geduldet werden, in denen „Chaoten Polizisten Befehle“ erteilten. Der Prozess öffnete Schill zwar die Türen zu Talk-Shows, brachte ihm aber auch ein Verfahren wegen Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung ein, weil er zwei Prozessbesucher einbuchten ließ.

Die nächste Inszenierung fand im Oktober 1999 vor dem Landgericht statt. Diese Instanz war zwar der Meinung, dass das Schill-Urteil völlig überzogen ist und reduzierte es auf vier Monate mit Bewährung. Aber auch dieses Gericht sah durch den Hinweis auf möglichen „Ärger“ das „staatliche Gewaltmonopol“ gefährdet. Verteidigerin Ursula Ehrhardt legte erneut Rechtsmittel ein. Im Revisionsverfahren meinte das Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) dann, der Sachverhalt sei zwar richtig festgestellt worden, aber eine Verurteilung hätte nicht wegen Nötigung, sondern wegen Widerstands erfolgen müssen – was ein geringeres Strafmaß zulässt.

Und so musste sich gestern nun die Kleine Strafammer 22 von Richter Andreas Richter erneut mit dem Komplex befassen. Sein Versuch, das Verfahren durch Einstellung vom Tisch zu bekommen, war an der Staatsanwaltschaft gescheitert. Bergündung: Der Fall sei so durch die Presse gegangen – auch wegen Schill – dass man ihn nicht einfach fallen lassen könne. Durch die OLG-Vorgaben blieb nur eine Verurteilung, auch wenn Erhardt im Plädoyer nochmals versuchte, dem Begriff „Ärger“ jede gewalttätige Note zu entnehmen: „Schill hat anschließend auch Ärger gehabt“.

Richter Richter verurteilte B. letzlich wegen „gemeinschaftlichem Widerstand“ zu 90 Tagesätzen a 20 Mark, obwohl er dessen „Einstellung für politisch vertretbar hält“. Richters Trost: „Damit sind Sie nicht vorbestraft. Mit dieser Vita können sie noch Bundesminister werden.“ Kai von Appen