SPD-Fraktion will neue Sanierungsstrategie

■ Bremen soll vor allem für seine Bürger, nicht nur für Touris, attraktiv werden, sagt der SPD-Fraktionschef Böhrnsen / Alte Sanierungsstrategie verfehlte ihre Ziele

„Ich habe der Fraktion meine Vorstellung von einer neuen Qualität der Sanierungspolitik vorgetragen“, so selbstbewusst präsentierte sich SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen gestern. Fünf Tage lang hatte die Fraktion sich nach Potsdam zurückgezogen, um in aller Ruhe zu beraten, wie es weitergehen könnte mit Bremens Sanierungsanstrengungen.

Das Ergebnis wurde gestern zeitgleich dem Senat, der CDU und der Presse vorgestellt: „Es darf nicht der Eindruck entstehen, als lohne es sich, als Tourist nach Bremen zu kommen aber man wohne besser im niedersächsischen Umland.“ Dieser Satz, der so lapidar und selbstverständlich klingt, hat es in sich. Was in der SPD-Fraktion „auf ungeteilte Zustimmung“ gestoßen ist, würde eine deutliche Korrektur der bisherigen Sanierungsstrategie bedeuten – vorgetragen rechtzeitig vor den Haushaltsberatungen 2002/2003.

Ein Umsteuern ist für die SPD-Fraktion notwendig, weil auf dem bisherigen Weg das Ziel so nicht erreichbar scheint. Erstens: Touristische Großprojekte sind die „Symbole“ der Sanierungsstrategie, sagt Böhrnsen. Ocean und Space Park, Musical – schwierige Symbole. „Das Tourismuskonzept hat eine zu große Bedeutung angenommen in der Wahrnehmung der Bürger“, sagt Böhrnsen. Und: „Die Zeit für neue staatlich finanzierte Großprojekte ist vorbei.“ Mittelstandsförderung sollte stärker betrieben werden.

Zweitens: Die Einwohnerzahlen Bremens um 40.000 steigern, das „erschien uns als das große Ziel“, so jedenfalls hat es Finanzsenator Ulrich Nölle 1995 propagiert, erinnert sich Böhrnsen. „Das ist nicht erreicht worden“, ist die Bilanz der Statistiker nach fünf Jahren. Im Jahr 1999 sank die Einwohnerzahl um ca. 4.000 Köpfe, und für jeden verlorenen Kopf verliert Bremen im Finanzausgleich etwa 6.000 Mark jedes Jahr.

Die „neue Ausrichtung der Sanioerungspolitik“, muss, so Böhrnsen, alles daran setzen, die Menschen für Bremen zu begeistern, die in Bremen leben oder leben sollten. Ein „anderes Leitbild“ brauche die Sanierungsstrategie. Eine „Neubürger-Agentur“ müsse sich sofort bei jedem melden, der in Bremen einen Arbeitsplatz bekommen hat, um Hilfe bei allen Formalitäten und bei der Wohnungssuche anzubieten.

Sanierungs-Investitionen müssten auch das Ziel haben, die Lebensqualität für die Bewohner zu steigern, fordert die SPD-Fraktion: 25 Millionen für die Sanierung der Bäder zum Beispiel. Kein Abbau der Jugendförderung.

Die Liste der konkreten Vorschläge ist, lang, sie reicht von der „Pflege von Straßenräumen und Straßenbild“ über Wohnungsbaukonzepte („Wohnen in der City“) bis zur schnelleren Umsetzung der Grundstücksvermarktung („Negativbeispiel: Bahnhofsvorplatz“). Auch das „Standort-Marketing“ soll sich an die Bremer direkt wenden: Bremen soll seine Lebensqualitäten herausstellen, sich als „attraktiver Kulturstandort“ bekennen. Ziel müsse sein, zumindest die Abwanderung der Bevölkerung zu stoppen.

Das geht natürlich nicht, wenn eine Rotstift-Runde von der nächsten abgelöst wird. Zur „Lebensqualität“ der Bremer zählt eine „verbindliche Garantieerklärung zur Absicherung oder Anpassung vorhandener Standards im Bildungs- Kultur-, Jugend-, Gesundheits- und Sportbereich“

Es bedürfe einer „Neuausrichtung der Politik“, sagt Böhrnsen, die Etat-Sanierung sei „Mittel zum Zeck“, mehr nicht. „Für Bremen begeistern“ könne deshalb das Motto sein.

Mit dem Senat oder der CDU, so räumte Fraktionschef Jens Böhrnsen auf Nachfrage ein, sei das nicht vorab besprochen. „Überlegungen darf man doch erstmal alleine haben.“

K.W.