„Ich lehne das Wort Jazz ab“

Ein Gespräch mit dem seit zehn Jahren in Berlin lebenden amerikanischen Jazz-Saxofonisten Fuasi Abdul-Kaliq über die Bedeutung und nach wie vor vorhandene Aktualität des „Black History Month“

von MAXI SICKERT

taz: Der „Black History Month“ entstand in den 20er-Jahren als eine Bewegung afroamerikanischer Intellektueller. Seit 1986 gibt es den Martin Luther King Jr. Day als amerikanischen Nationalfeiertag – ist der Umgang mit schwarzer Geschichte nicht längst zu einem musealen Gegenstand geworden?

Fuasi Abdul-Khaliq: Im Gegenteil! Das Klischee ist doch nach wie vor, dass ein Schwarzer entweder Musiker oder Sportler ist. In den USA gibt es keinen Respekt für schwarze Künstler, das ist meine Erfahrung. Schwarze Musiker arbeiten bei McDonalds oder bei der Post, um irgendwie zu überleben. Die Leute werden unten gehalten, ich meine psychisch. Daher kann man gar nicht genug über bedeutende schwarze Schriftsteller, Filmemacher, Architekten, Ärzte und Musiker sprechen. Mein Beitrag dazu ist ein Tribut an die „African-American Classical Music“. Sie ist die Grundlage für die gesamte schwarze Musik von Soul bis HipHop.

Ende der 60er-Jahre hieß die schwarze Musik Jazz und war stark politisiert. Was haben Sie seinerzeit gemacht?

Ich war in der Grassroots-Bewegung der Black Panther. Kein „Lehnstuhlrevolutionär“, sondern auf der Straße. Es gab zum Beispiel ein Programm für ledige Mütter, die kein Geld hatten, um ihren Kindern Essen zu geben. Die sozialen Verhältnisse in South Central Los Angeles, damals Watts, waren unbeschreiblich. In dieser Zeit studierte ich an der „Union of God’s Musician’s Artist Ascension“. Dort lernte ich den Pianisten Horace Tapscott kennen, in dessen „Pan-African People’s Arkestra“ ich 13 Jahre spielte. 1980 nahm ich meinen muslimischen Namen an. Zu der Bewusstwerdung unserer Generation gehörte es, dass man seine Sklavennamen ablehnt und auch vor militanten Aktionen nicht zurückschreckt, wenn es darum geht, Rassismus zu bekämpfen. Der „Black History Month“ wurde nie offiziell anerkannt. Er war immer eine genommene Zeit. Eine Zeit, die wir uns für uns selbst genommen haben. Eben nicht Geschichte als „History“, sondern als „Our-Story“.

Warum kamen Sie vor zehn Jahren nach Berlin?

Ich lebte damals mit meiner Frau Sharifa in Atlanta, Georgia, und es war eine üble Zeit für Musiker. Es gab keine Arbeit und wir hatten überhaupt kein Geld. Damals hörte ich, dass Berlin eine gute Stadt sei mit vielen Möglichkeiten, als Musiker zu arbeiten. Wir mussten alles verkaufen, um das Flugticket zahlen zu können. In Berlin konnte ich sofort auftreten und von meiner Musik leben.

Steht die Geschichte des Jazz im Mittelpunkt ihrer Konzertreihe im Quasimodo?

Nein, denn ich lehne den Begriff „Jazz“ ab. Ich mache keine Musik für Fahrstuhl- oder Supermarktbeschallung. Es geht hier um schwarze Musik und speziell um Werke der Musiker, die unsere Musik wesentlich geprägt haben, aber entweder schon tot sind oder nicht mehr auftreten können. Das erste Konzert wird ein Tribut an den Saxofonisten Joe Henderson werden, der nach seinem Schlaganfall wahrscheinlich nie wieder spielen kann. Das „Young Rabbits Project“, angelehnt an einen Titel der Jazz Crusaders, ist der Musik der 60er gewidmet und mit den „Voices Of Jazz“ wollen wir an die Frauen in unserer Musik erinnern. An Billie Holiday, Ella Fitzgerald, Sarah Vaughan und Bessie Smith. Dazu haben wir einen Songpoeten, der kurze Texte liest. Gedichte von Langston Hughes und James Baldwin. Aber auch kleine Geschichten zu den Musikerinnen.

Sie nennen Ihre Mittwochskonzerte „The 1940’s Woodshed Jam Session“. Richtet sich diese Einladung nur an schwarze Musiker?

Natürlich nicht! Woodshed ist ein Begriff, den Musiker in Amerika für einen Ort zum Üben verwenden. Einen Ort, wo man Einsamkeit finden kann, wo man seine Kraft wiederfindet, wo man Zeit mit sich selbst und seinem Spirit verbringt. Wo man herausfindet, warum man hier ist und was man ausdrücken möchte. Ansonsten ist ein Woodshed ein Ort, an dem früher auf dem Land das Holz für den Winter gelagert wurde. Damals trafen sich die Musiker dort zum Üben. Da gibt es die Geschichte aus den 40er-Jahren, als Charlie Parker einmal zu einer wöchentlich stattfindenden Jam Session des Count-Basie-Schlagzeugers Papa Joe Jones ging. Er wartete, bis er auf die Bühne gerufen wurde. Sein Solo klang so abstrakt und vollkommen anders, dass Papa Joe seine Zimbeln abnahm und sie derart heftig auf den Boden schmiss, dass Charlie Parker machte, dass er von der Bühne kam. Wir werden jedenfalls niemanden wegjagen, der einsteigen möchte.

Sie haben sich ihren Kopf rasiert. Ein politisches Zeichen?

Nein, mittlerweile hat das nur noch ästhetische Gründe. Aber Mitte der 70er war das anders. Zu dieser Zeit liefen alle mit diesen Afroköpfen mit Unmengen von Haar herum. Wir wollten anders sein, gegen die Norm. Wir sahen uns als schwarze Revolutionäre.

Jeden Di. und Mi. im Februar, ab 22 Uhr Quasimodo, Kantstr. 12 a. Heute: Fuasi Abdul-Khaliq & Ensemble