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Die fröhliche Propagandistin

Anita DeFrantz, Sportfunktionärin aus den USA, strebt nach der IOC-Präsidentschaft

von MATTI LIESKE

Wenn Anita DeFrantz etwas liebt, dann sind es große, wohltönende Worte. „Alles, was ich hören will, sind Lieder der Freiheit“, zitierte sie am Sonntag Bob Marley, nachdem sie nahe der senegalesischen Hauptstadt Dakar, wo die Exekutive des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) zur Zeit tagt, ein ehemaliges Sklavenlager besichtigt hatte. Mit ihrem feinen Gespür für effektvolle Auftritte wählte die 48-jährige IOC-Vizepräsidentin just diese emotionsgeladene Szenerie für eine Ankündigung, die nicht überraschend kam: Sie möchte die Nachfolge von Juan Antonio Samaranch antreten und wäre dann nicht nur die erste IOC-Präsidentin, sondern auch die erste schwarze Person in diesem Amt.

Den Beifall des 80-jährigen Oberolympiers hat Anita DeFrantz sicher. „Sie ist eine gute Kandidatin“, hatte Samaranch schon vorher verkündet, „sie ist Vizepräsidentin, sie ist eine Frau, sehr intelligent, sie hat gegen den amerikanischen Boykott gekämpft, und sie ist Medaillengewinnerin bei Olympischen Spielen.“ Eine Bronzemedaille holte die US-Amerikanerin 1976 in Montreal im Rudern, danach machte sie eine steile Karriere im IOC, auch weil sie 1980 als vehemente Gegnerin von Jimmy Carters Boykott der Spiele in Moskau aufgetreten war. Als erste Frau wurde sie 1992 in die mächtige Exekutive gewählt, seit den Spielen in Sydney ist sie Samaranchs Stellvertreterin. Profilieren konnte sie sich vor allem mit Kampagnen zur stärkeren Beteiligung von Frauen im Sport, bei Olympischen Spielen und nicht zuletzt im IOC.

Beliebt bei Samaranch ist DeFrantz auch, weil sie es versteht, die Dinge konsequent ins Positive zu wenden. Die weltweite Kritik am IOC nach dem Korruptionsskandal vor zwei Jahren war ihr nur Beweis, „wie sehr die Olympischen Spiele doch geliebt werden“, der Ausschluss von IOC-Mitgliedern erneuerte ihren „Glauben an die Olympier“. Der Verdacht ihrer eigenen Verwicklung in die Salt-Lake-City-Affäre, zumindest als Mitwisserin, konnte nie ganz ausgeräumt werden, schadete ihr aber ebenso wenig wie die Annahme einer goldenen Halskette vom Organisationschef der Spiele in Nagano.

Mit ihrer fröhlichen, leutseligen Art nimmt Anita DeFrantz kniffligen Situationen oft die Spannung, ganz anders als ihre schmallippigen Kollegen im IOC-Präsidium, denen der Machthunger oft ins Gesicht geschrieben ist. Eines steht fest: Leicht werden es die Herren Pound, Rogge oder Schmitt nicht haben, wenn die IOC-Vollversammlung am 13. Juli in Moskau über die Samaranch-Nachfolge entscheidet.

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