Brüssel verordnet Chemikalien-Check

Inventur soll bis 2008 dauern. EU-Kommissarin Wallström rechnet mit 500 neu entdeckten Risikosubstanzen

BERLIN taz ■ Alle wesentlichen Industriechemikalien sollen bis 2018 überprüft werden. Das sieht der Entwurf des Weißbuches Chemikalienpolitik vor, das die EU-Kommisson kommende Woche verabschieden will. Damit möchte die Kommission verhindern, dass Verbraucher weiterhin Chemikalien ausgesetzt sind, die noch nie auf ihre Schädlichkeit untersucht wurden.

Bislang mussten nur Stoffe einer Prüfung unterzogen werden, die nach 1981 eingeführt wurden. Mit dieser Ungleichbehandlung zwischen Neu- und Altstoffen will EU-Umweltkommissarin Margot Wallström nun aufräumen. Das Weißbuch muss noch vom EU-Parlament sowie vom Ministerrat abgesegnet werden.

Insbesondere 5.000 Chemikalien, die stark verbreitet sind, will die Kommission intensiver testen lassen. Diese Stoffe müssen dem Entwurf gemäß bis 2008 überprüft sein, sonst verlieren sie ihre Zulassung. Umweltkommissarin Margot Wallström rechnet damit, dass die Chemieinventur um die 500 risikobehaftete Substanzen zu Tage fördern könnte, von deren Gefährdungspotenzial man noch gar nichts ahnt.

Schon vorab gab es große Widerstände der Chemieindustrie gegen das Papier. Sowohl Kanzler Gerhard Schröder (SPD) als auch Rheinland-Pfalz’ Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) hatten sich in Brüssel im Sinne der Chemieindustrie eingesetzt.

Beck, der dazu seinen Antrittsbesuch als Bundesratspräsident genutzt hatte und von einer „Überbürokratisierung“ sprach, zog sich prompt Unmut aus den Ländern zu. In einem erbosten Brief, der der taz vorliegt, beklagt Hamburgs Umweltsenator Alexander Porschke (Grüne), dass Beck interveniere, obwohl der Bundesrat noch keine Position bestimmt habe. „Für mich wiegt das Abstimmungsdefizit besonders schwer, da ich die von Ihnen formulierte Auffassung nicht teilen kann“, schrieb Porschke.

Doch Wallström hat derzeit einen guten Stand in der Kommission. Angesichts der BSE-Krise ist man dort in Fragen des Verbraucherschutzes inzwischen sehr aufgeschlossen.

MATTHIAS URBACH

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