„Die Astronauten fusseln“

■ Astrium präsentierte gestern Instrumente für die US-Labors „Destiny“ auf der Internationalen Weltraumstation / Auch der Weg zum Mars führt über Bremen

Bremens Weltraumfahrt-Firma Astrium, die frühere DASA, präsentierte gestern stolz ihr Spielzeug, das heute auf dem Weg in die Internationale Raumstation sein dürfte – wenn der Start in der vergangenen Nacht geklappt hat: Sieben Systeme für Forschung auf den Gebieten Biowissenschaften, Medizin, Materialwissenschaften und Physik hat die NASA über die europäische Raumfahrt-Agentur Esa bestellt, Astrium ist „Systemführer“ für die Lieferung. Europäische Wissenschaftler dürfen die US-Labors nutzen, bis das europäische Columbus-Labor im Jahre 2004 fertig ist.

Vorgestellt wurde im Bremer Astrium-Werk am Flughafen die „Unterdruckhose“ (auf Deutsch: LBNP), eine gut einen Meter lange „Röhre“, in die ein Mensch seinen Körper bis zum Bauchnabel hineinschieben kann. Entwickelt wurde das Gerät aufgrund der Schwindel- und Übelkeits-Phänomene, die Astronauten beim Übergang in die Schwerelosigkeit haben. Die „Unterdruckhose“ sollte die Flüssigkeitsverteilung im Körper schon einmal auf die neuen Bedingungen vorbereiten. Inzwischen interessiert sich die Medizin für die Flüssigkeitsverteilung im Körper unter den Unterdruck- und Schwerelosigkeits-Bedingungen – die „LBNP“ wird also in der Weltraumstation schweben.

Ebenfalls vorgestellt wurde „Glovebox“, eine durchsichtige Box, in die die Astronauten nur mit Handschuhen hineingreifen können. Bakteriologische Experimente zum Beispiel können hier ohne Risiko vorbereitet werden, Proteine können ohne störende Dreckeffekte gezüchtet werden.

Denn das Hauptproblem bei der Raumfahrt ist immer noch der Mensch. Diplomingenieur Hans-Jürgen Stephan, der als „Leiter Betrieb Raumstation“ bei Astrium seine Geräte vorstellte, bringt das auf die kurze Formel: „Die Astronauten fusseln“. Zwar weniger als normale Menschen, aber immer noch viel zu viel. Menschen schuppen, Menschen husten, Menschen sondern bakterielle Verunreinigungen aus, Menschen verdunsten Wasser – all das kann man eigentlich in der Raumstation nicht gebrauchen. Damit nur 100.000 Partikel pro Kubikmeter in der Raumluft schweben, wurden die Journalisten unter weißen Kopfschutz, in Kittel und Schuh-Überzieher gesteckt, für die hochsensiblen Experimente wäre auch das noch zu viel Dreck.

Und in der Raumstation kann man bekanntlich nicht kurz lüften. Putzen kann man eigentlich auch schlecht, denn wie soll man die flüchtigen Putzmittel wieder herausfiltern aus der Luft?

Die Experimente unter Schwerelosigkeit sind für Stephan nur ein Aspekt, der das Interesse an der Raumstation begründet. Auch die Astronomie braucht die Raumstation. Denn, zum Beispiel, wenn Millionen Lichtjahre entfernte „heiße“ Sterne beobachtet werden sollen, von denen nur Röntgenstrahlen in der Nähe der Erde ankommen, dann braucht man dazu einen Spiegel mit zehn Metern Durchmesser in der Umlaufbahn. Den kann man nicht „hochschießen“, den kann man nur im All zusammenbauen.

Vor allem aber will der Mensch zum Mars. „Neugier“ ist das Motiv, davon ist Stephan überzeugt, und „der Verdacht, dass da mal Leben war“. Derzeit wäre ein bemannter Flug zum Mars kaum denkbar, weil die Dreckeffekte des Menschen, die auf monatelangen Flügen sich anhäufen, nicht zu beherrschen sind. Wohin mit dem CO2 zum Beispiel, das die Astronauten ausatmen? Wo den Sauerstoff bekommen? Erst wenn es gelingt, die menschlichen Abgase in einem geschlossenen Kreislauf wieder zu Frischluft zu machen, kann die Reise zum Mars beginnen. K.W.