Bremer Innenbehörde zeigt „Gratismut“

■ Inneres macht bei „Altfällen“ auf liberal: Wer am Stichtag hätte arbeiten können, darf bleiben /Problem: Die Antragsfrist ist schon vorbei / Noch herrscht Streit um Kosten für „Musterprozess“

Das Bremer Innenressort hat im politischen Streit um die Altfallregelung offensichtlich nachgegeben. Per Erlass vom 9. Januar steht nun fest: Ausländer, die lange in Deutschland leben, können auch dann ein Bleiberecht als „Altfall“ bekommen, wenn sie belegen, dass sie zum Stichtag einen Arbeitsplatz hätten haben können. „Merkwürdig heimlich, still und leise“ sei der Erlass gekommen, kommentiert der grüne Innenpolitiker Matthias Güldner die ausländerpolitische Kehrtwende im Bremer Innenressort. „Ich musste mir letztes Jahr mehrfach von Innenstaatsrat Böse anhören, dass die Grünen aufhören sollten, solche rechtswidrigen Dinge zu fordern“, sagt er verärgert.

Der Bremer Rechtsanwalt Holger Hoffmann bescheinigt der Innenbehörde derweil „Gratismut“. Denn die offizielle Antragsfrist, um als Altfall berücksichtigt zu werden, ist neun Tage vor dem bremischen Erlass abgelaufen. Nichts als Kritik also, obwohl das CDU-geführte Innenressort die Altfallregelung zu Jahresbeginn 2001 so abgefasst hat, dass sie nun als eine der liberalsten bundesweit gelten darf – wenn auch erst über ein Jahr nach der entscheidenden Innenministerkonferenz vom November 1999. Und mit den befürchteten Folgen: „Die Antragsfrist verlängert sich jetzt nicht pauschal“, sagt der Sprecher des Innenressorts, Markus Beyer. Wer aber geltend mache, nach den „gelockerten Kriterien“ nun doch unter die Altfallregelung zu fallen, werde als Einzelfall geprüft.

Zur Erinnerung: Kaum hatten die Innenminister der Länder die Regelung beschlossen, brach der Streit um die von Rot-Grün aus humanitären Gründen forcierte Altfallregelung aus. Hauptgrund: Die Regelung, wonach Familien oder Einzelpersonen nach Aufenthaltsdauer gestaffelt ein Bleiberecht bekommen sollten, drohte zur Farce zu werden. Denn sie verlangte, dass, wer bleiben wollte, zum Stichtag 19. November 1999 auch seinen Lebensunterhalt verdienen musste. Die Voraussetzung dafür allerdings hieß Arbeitserlaubnis – und die hatten Ausländerämter der Haupt-Zielgruppe der Altfallregelung, vielfach Asylbewerber, regelmäßig verwehrt. Das galt auch in Bremen, wo heute niemand weiß, wie viele entmutigte „Altfälle“ deshalb erst gar keinen Antrag gestellt haben.

In Bremen kam die liberale Wende erst mit der inzwischen legendären Klage der libanesischen Familie Haidar. Auch der jüngst ergangene Erlass nimmt Bezug auf „das Musterverfahren Haidar“. Dabei hatte das Oberverwaltungsgericht in einem Urteil festgestellt, dass die verbindliche Einstellungszusage eines Arbeitgebers an den Familienvater Haidar ausreiche, um ihn als „Altfall“ anzuerkennen. Die Innenbehörde folgt dem Urteil nun – doch die Frage, wer die Kosten für den Haidar'schen Prozessmarathon übernimmt, ohne den die Familie schon lange abgeschoben worden wäre, muss jetzt das Bremer Verwaltungsgericht klären. Denn die Innenbehörde will nicht zahlen – obwohl sie sogar nach einer einer richtungsweisenden Eilentscheidung des OVG nicht vom Klageweg abwich und dort auch auf einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren bestand. Jetzt trickst die Behörde. Sie erklärte das Haidar-Verfahren für erledigt. Die Logik: Der liberale Erlass macht den Prozess nachträglich überflüssig – warum also über ihn noch reden?

Inzwischen warten viele internationale Antragsteller in Bremen noch auf die Antwort zu ihrem Altfallantrag. Die Entscheidung dazu nämlich hatte die Innenbehörde – wegen des „Musterprozesses“ – auf Eis gelegt. Nach Behördenangaben ist über die Hälfte aller Verfahren noch nicht entschieden. Von rund 290 AntragstellerInnen im Land Bremen bekamen bisher erst 140 eine Antwort. 51 davon eine positive, 90 eine Ablehnung. ede