Walter Riester ist gesprächsbereit

Die Koalition hängt Streit um Betriebsverfassungsgesetz tief. Arbeitsminister Riester offen für Detailverbesserungen

Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) hat nicht die Absicht, „wirkungslos zu bleiben“

BERLIN taz ■ Der Streit um die Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes wird in der Koalition tief gehängt. SPD-Fraktionschef Peter Struck geht davon aus, dass bis zum 14. Februar die Ressorts Wirtschaft und Arbeit ihre Differenzen ausgeräumt haben. Für diesen Tag hat der Kanzler eine Entscheidung im Kabinett versprochen.

Aus dem Arbeitsministerium wurde gestern Kompromissbereitschaft signalisiert. Minister Walter Riester (SPD) sei „gesprächsbereit“, so eine Ministeriumssprecherin zur taz. Und: Details könnten durchaus noch geändert werden. Welche, blieb jedoch offen.

Wirtschaftsminister Werner Müller trat gestern allen Spekulationen über einen möglichen Rücktritt entgegen. Er sei Mitglied des Kabinetts und habe als solches nicht die Absicht, „wirkungslos zu bleiben“. Der parteilose Müller wendet sich insbesondere gegen die Ausweitung der Betriebsräte bei Unternehmen mittlerer Größe. So sollen nach der Vorlage aus dem Arbeitsministerium die Betriebsräte bereits bei einer Belegschaft von 200 Beschäftigten (bisher 300) freigestellt werden. Zugleich plant Riester, die Zahl der Betriebsräte von 5 auf 7 bei Unternehmen in der Größenordnung von 101 bis 150 Beschäftigten zu erhöhen. Nach Ansicht Müllers würden dadurch die mittelständischen Betriebe mit zu hohen Kosten belastet.

Der wegen Krankheit verhinderte Kanzler hatte erst am Montag in einem Redemanuskript für das SPD-Präsidium sein grundsätzliches Festhalten an einer Novellierung des Gesetzes bekundet. Zugleich hatte er aber Gewerkschaften und Unternehmesverbände aufgefordert, keine Barrikaden aufzubauen, von denen man hinterher nicht mehr herunterkomme. Die Notwendigkeit einer Neufassung der betrieblichen Mitbestimmung begründete Schröder unter anderem mit den durch Globalisierung einhergehenden Herausforderungen. Das Gesetz stammt aus dem Jahre 1972 und entspricht nach Auffassung der Gewerkschaften nicht mehr den Erfordernissen der heutigen Internetökonomie.

In der SPD-Fraktion hieß es gestern, die Intensität, mit der jetzt in der Öffentlichkeit über die Novellierung debattiert werde, sei unverständlich. Auch wenn das Bundeskabinett entscheide, seien im Verlaufe der parlamentarischen Beratungen noch Veränderungen möglich. Kaum ein Gesetz habe den Bundestag in der Fassung verlassen, hieß es aus der Fraktion, wie es eingebracht worden sei. Auch könnten die Interessenverbände ihre Vorschläge im Anhörungsverfahren erneut unterbreiten.

Aus dem Arbeitsministerium verlautete, man gehe davon aus, dass das novellierte Gesetz noch vor der Sommerpause verabschiedet werde.

Bei den Grünen werden Änderungen des Gesetzes nicht ausgeschlossen. Bereits zu Wochenbeginn hatte Parteichef Fritz Kuhn alle Beteiligten gemahnt, nochmals „in Ruhe“ darüber nachzudenken, welche Kosten für den Mittelstand unzumutbar seien. Kuhn traf gestern mit IG Metall-Chef Klaus Zwickel zusammen. Mit dem jetzigen ÖTV-Chef Frank Bsirske steht erstmals ein Grüner an der Spitze einer Einzelgewerkschaft im DGB. Dieser war gestern Gast der grünen Bundestagsfraktion. Bei dem Treffen ging es um das Verhältnis der Grünen zu den Gewerkschaften – und das Betriebsverfassungsgesetz.

SEVERIN WEILAND