Geschichten vom Wunderwerk der Korruption

Exmanager Sirven soll dem Untersuchungsausschuss des Bundestags helfen, endlich etwas Licht ins Dunkel der Leuna-Affäre zu bringen

BERLIN taz ■ Das Ziel ist klar. Von der Vernehmung des Ex-Elf-Managers Alfred Sirven erhofft sich der Untersuchungsausschuss des Bundestags neue Informationen über die „Leuna-Affäre“. Gilt Sirven doch als Schlüsselfigur bei dem 1992 eingefädelten Verkauf der ostdeutschen Leuna-Raffiniere an den französischen Ölkonzern Elf-Aquitaine. Insgesamt sollen rund 77 Millionen Mark an „Provisionen“ gezahlt worden sein – auch an deutsche Politiker.Sirven war damals bei Elf für Finanzen und internationale Kontakte zuständig.

Als der Leuna-Deal 1992 zustande kam, sprachen euphorische Politiker noch vom „größten deutsch-französischen Gemeinschaftswerk der Nachkriegsgeschichte“. In Wirklichkeit handelte es sich wohl von Anfang an eher um ein Wunderwerk der Korruption.

Wesentlichen Anteil am Zustandekommen des Leuna-Verkaufs hatten Exbundeskanzler Helmut Kohl und der inzwischen gestorbene französische Präsident François Mitterrand. Die beiden Männerfreunde brachten Elf-Aquitaine dazu, zusammen mit dem deutschen Partner Thyssen eine neue Raffinerie zu bauen, die heute unter anderem russisches Öl zu Benzin verarbeitet. Das gesamte Projekt kostete rund fünf Milliarden Mark und sollte etwa 2.500 Arbeitsplätze in der Raffinerie erhalten. Ein Job kostete damit durchschnittlich zwei Millionen Mark. Den größten Anteil der Investitionen spendierte der deutsche Staat: An direkten Zuschüssen sollten 1,4 Milliarden Mark fließen.

Mehrfach ermittelte die Europäische Kommission gegen die Investoren. Der Verdacht: Elf und Thyssen trieben die Baukosten absichtlich in die Höhe, um mehr Subventionen zu kassieren. Doch Elf wollte noch mehr: Im Gegenzug für das Leuna-Engagement bekam der Konzern kostenlos das gewinnträchtige Netz der ostdeutschen Minol-Tankstellen. Auch dabei ging vermutlich nicht alles mit rechten Dingen zu. Französische Fahnder ermitteln seit Jahren wegen des Verdachts, Elf habe rund 80 Millionen Mark Schmiergelder als Gegenleistung für die Tankstellen gezahlt.

Bei der Abwicklung des Leuna-Geschäfts arbeiteten Sirvens Beauftragter Pierre Léthier und dessen deutscher Partner Dieter Holzer Hand in Hand. Nach den Erkenntnissen von Schweizer Staatsanwälten erhielten mehrere deutsche Politiker hohe Geldbeträge. Genannt wurden im vergangenen Herbst Exstaatssekretärin Agnes Hürland-Böning (CDU), der untergetauchte Exstaatssekretär Holger Pfahls „sowie andere Parteigrößen und Politiker“.

Auch für den ehemaligen EU-Kommissar Karel van Miert ist es „ganz klar“, dass Schmiergelder bezahlt wurden. Dabei habe es sich um „erhebliche Beträge“ gehandelt. „An wen, ist eine andere Frage. Das kommt wohl nie heraus.“

Im Zuge der CDU-Finanzaffäre tauchten Berichte auf, wonach Helmut Kohl im Zusammenhang mit Leuna 30 Millionen Mark Wahlkampfhilfe von Mitterrand erhalten habe. Diese Vorwürfe bezeichnete Kohl als „besonders gemein und geschmacklos“. Immer wieder betonte der Exkanzler: „Ich habe zu keinem Zeitpunkt Geld erhalten.“ Angesichts „der heruntergewirtschafteten Industrieanlagen“ sei es sehr schwierig gewesen, überhaupt einen Investor für Leuna zu finden. Am Ende sei Elf-Aquitaine der einzige Interessent gewesen.

Sirvens Berater Léthier bezeichnete die Provisionsgerüchte als Teil einer „widerlichen Konspiration“. Léthier mutmaßte im Spiegel, dass Elf-Manager Gerüchte über Provisionen streuten, um den Verdacht auf deutsche Politiker zu lenken. „Eine Erklärung wäre, dass ehemalige Elf-Manager diesen Weg gewählt haben, um Gelder zu ihrem Vorteil zu veruntreuen“. LKW/KOCH