Gysi soll im Westen fischen

Heute stimmt der Bundestag über den Neuzuschnitt der Wahlkreise ab. Obwohl die PDS in Berlin Hochburgen verliert, will sie zustimmen. Petra Pau hofft auf einen attraktiven Kandidaten: Gysi

von PHILIPP GESSLER

Die PDS will heute einer Reform zustimmen, die ihr in anderthalb Jahren den Hals brechen könnte. Denn im Bundestag steht heute der Zuschnitte der Wahlkreise für die Bundestagswahl 2002 zur Abstimmung. Im Zuge der Berliner Bezirksreform werden auch die Wahlkreise der Hauptstadt neu geordnet.

Erstmals wird es auch zwei Ost-West-Wahlkreise geben. Mitte wird mit Tiergarten und Wedding zusammengefasst, Friedrichshain mit Kreuzberg. Damit verliert die PDS unter anderem ihre bisherige Hochburg Mitte/Prenzlauer Berg.

Die Berliner Wahlkreise sind für die Ostpartei besonders wichtig, da sie bei den letzten Bundestagswahlen hier drei bzw. vier Direktmandate erringen konnte. Damit konnte die PDS unabhängig vom Überschreiten der Fünfprozenthürde in das Parlament einziehen.

Zwar konnte sie vor gut zwei Jahren sowohl über ihr Zweitstimmenergebnis wie über vier Direktmandate in den Bundestag einziehen. Doch der Sprung über die Fünfprozentklausel war nur äußerst knapp (5,1 Prozent). Und absehbar ist schon jetzt, dass ihr es in etwas mehr als anderthalb Jahren schwerer fallen wird als noch 1998, in Berlin Direktmandate zu gewinnen.

Den Wahlkreis im Fusionbezirk Mitte werde man wohl kaum erringen, gibt sich die PDS-Bundestagsabgeordnete und Landeschefin Petra Pau realistisch. Deshalb kündigt sie an, dass ihre Partei zwar dem neuen Zuschnitt zustimmen wird. Doch klar ist ihr auch, dass es 2002 knapp werden könnte. Nun braucht sie intelligente Lösungen bei der Kandidatensuche.

Pau hatte 1998 den bisherigen Wahlkreis Mitte/Prenzlauer Berg gegen den Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) gewonnen. Wenn der neue Wahlkreis Mitte samt Wedding und Tiergarten nicht direkt zu holen ist, müssen bei einem Scheitern an der Fünfprozentklausel mindestens drei andere Wahlkreise der PDS direkt zufallen.

Das bisherige Medienzugpferd Gregor Gysi aber will sich aus der Bundespolitik zurückziehen, was bundesweit entscheidende Stellen hinterm Komma kosten könnte. Hinzu kommt, dass er 1998 in Marzahn-Hellersdorf das Direktmandat gewann.

Auch Christa Luft, die damals Lichtenberg/Friedrichshain holte, steht nicht mehr zur Verfügung, so Pau. Und Manfred Müller, der Hohenschönhausen/Pankow/Weißensee einfuhr, ist ebenfalls nicht mehr dabei.

Die Partei stehe vor einem „Generationswechsel“, mahnt die Landeschefin. Man habe „nicht mehr viel Zeit“, warnt Pau. Dennoch will sie mit ihrer Partei jeden der fünf neuen Ostberliner Wahlkreise holen. Und sie möchte versuchen, Gysi wieder ins Boot zu holen – vielleicht ab dem Sommer, wenn er nach seinem Rücktritt vom Fraktionsvorsitz im Bundestag schon „Entzugserscheinungen“ mangels Führungsaufgaben haben könnte.

Und ein PDS-Spitzenkandidat Gysi bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl? Darüber werde man frühestens 2003 oder 2004 sprechen, meint Pau. Immerhin: Die Chance, dass die Sozialdemokraten ihre rechnerische Mehrheit mit der PDS zur Regierungsübernahme durch eine rot-rote Koalition nutzen könnten, sei „realer als in den Jahren zuvor“.