Falsche Preise für Fast Lines

Die Bonner Regulierungsbehörde überprüft die Kalkulation für die „T-DSL“-Anschlüsse der Telekom. Statistiker sollen derweil für das Wirtschaftsministerium zeigen, wie liberal der deutsche Telekommunikationmarkt schon ist. Es gelingt ihnen nur nicht

von NIKLAUS HABLÜTZEL

Schon Klaus-Dieter Scheurle, der zum Jahreswechsel aus dem Amt geschiedene Leiter der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, hatte davor gewarnt, dass die Telekom ihre Vormachtstellung auch auf dem Markt für schnelle Internetanschlüsse ausnutzen könnte. „Wir müssen darauf achten“, sagte er letzten November, „dass der DSL-Markt nicht kaputtgemacht wird, bevor er sich richtig entwickeln kann“.

Scheurles Nachfolger Matthias Kurth hat sich den Hinweis zu Eigen gemacht. Vergangenen Freitag hat die Regulierungsbehörde eine Beschwerde des Bundesverbandes der regionalen und lokalen Telekommunikationsgesellschaften (BERKO, www.berkoverband.de) zur Prüfung angenommen.

Die Berko-Lobby hat in ihrer Beschwerde vorgerechnet, dass die Telekom ihre „T-DSL“ genannten Internetanschlüsse zu Preisen anbietet, die den tatsächlichen Kosten der dafür notwendigen Technik nicht gerecht werden können. Das Kürzel „DSL“ steht für „Digital Subscriber Line“ und bezeichnet ein Verfahren, mit dem auf ganz normalen Telefonleitungen digitale Signale etwa zehnmal schneller als über ISDN-Verbindungen übertragen werden können. Im letzten Herbst hatte die Telekom mit massiven Werbekampagnen für ihre eigene Version dieser Technik geworben, die zwar die heute damit realisierbaren Leistungen keineswegs ausschöpft, dafür aber – ohne technische Notwendigkeit – nur in Verbindung mit einem ISDN-Anschluss zu haben ist.

Wettbewerb verdrängen

Für ISDN-Kunden immerhin lohnte sich der Gewinn an Surftempo durchaus. Der T-DSL-Zugang kostete lediglich eine Zusatzgebühr von 15 Mark monatlich, für 50 Mark gab es sogar eine Pauschale. Der Erfolg hat selbst die Telekom überrascht. Sie hatte das Sonderangebot schon nach wenigen Monaten 700.000-mal verkauft, zum großen Teil allerdings nur auf dem Papier. Die technische Nachrüstung konnte da mit der Nachfrage nicht mithalten, und so warten manche T-DSL-Kunden noch heute vergeblich auf die Erfüllung des Vertrages.

Die Werbekampagne ist klammheimlich eingestellt worden. Ein Anlass zur Schadenfreude ist die Marketingpanne für die privaten Konkurrenten jedoch nicht. Kein Einziger von ihnen hatte bisher auch nur die Chance, privaten Kunden ein vergleichbares oder sogar technisch fortgeschritteneres Angebot zu machen. Die Telekom verwies kühl auf ihre eigenen Neuinvestitionen in dieses neue Marktsegment, das der Regulierung nicht unterliege.

Ebendieses Argument wendet die Beschwerde der Berko nun gegen den Staatsmonopolisten. Ganz offensichtlich versuche die Telekom, heißt es in dem fünfzehn Seiten langen Papier, mit vollkommen unrealistischen Dumpingpreisen Marktanteile zu sichern, sogar noch bevor sie selbst überhaupt in der Lage sei, die versprochene Leistung zu erbringen. Dafür nehme die Telekom „systematische Verluste in Kauf“, sagt der Geschäftsführer des Verbandes, und schließt zwangsläufig daraus: „Hier geht es einzig und allein darum“, koste es was es wolle, „Wettbewerber von einem Zukunftsmarkt fern zu halten.“

Der Vorwurf der Quersubventionierung ihrer Internettochter T-Online ist nicht neu, und nicht zum ersten Mal muss die Telekom damit rechnen, dass die Regulierungsbehörde solchen Klagen der Konkurrenz Recht gibt. Im Frühjahr 1998 etwa musste sie ihr Angebot von 20 Stunden Surfen für 49 Mark, Telefongebühr inklusive, zurücknehmen. Der Hauptkonkurrent AOL wies nach, dass in diesem Preis die Telefonkosten zu niedrig angesetzt waren. Vor die Wahl gestellt, entweder ihren Konkurrenten dieselben Konditionen anzubieten oder auf das Sonderangebot zu verzichten, zog es die Telekom dann doch vor, bei den T-Onlinern wieder ein wenig mehr abzukassieren.

Im November letzten Jahres schließlich ordnete die Bonner Behörde an, eine so genannte Großhandels-Flatrate für private Internetprovider anzubieten. Umgehend zog die Telekom vor Gericht. Die Entscheidung steht noch aus. Vorsorglich bietet die Telekom seit Dezember Internetprovidern schon mal einen Pauschaltarif an, den sie jedoch nur auf den allerletzten Metern von der letzten Vermittlungsstelle zur Wohnung des Teilnehmers nutzen dürfen. Wer sich weiter hinten an das alte Postnetz ankoppeln möchte, muss für den Weg zur übergeordneten Vermittlungsstelle wieder im Minutentakt bezahlen. Ein „Scheinangebot“, schimpft deshalb Uwe Heddendorp, Chef von AOL Deutschland. Wenn es dabei bliebe, wären die Telekom-Konkurrenten gezwungen, ihre eigenen Netze zumindest bis in die Nähe der Privathaushalte auszubauen. Die betriebswirtschaftlichen Kosten wären enorm, der volkswirtschaftliche Nutzen wäre gering, da die vorhandenen Leitungen, nicht zuletzt mit DSL-Technik, durchaus intensiver genutzt werden könnten als heute. In jedem Fall aber wären die von AOL und anderen Providern angestrebten Kundenpauschalen unter 50 Mark damit nicht realisierbar, zumindest nicht in naher Zukunft.

Vor diesem Hintergrund besteht durchaus Hoffnung, dass die Regulierungsbehörde die Telekom zwingen könnte, ihre Leitungen auch für konkurrierende DSL-Anbieter zu öffnen. Bis zum 2. April will die Behörde die Kalkulation der Telekom prüfen, doch aus der Berliner Regierung ist zunehmend Gegenwind zu spüren.

Statistik rechnet schön

Ausgerechnet der parteilose Wirtschaftsminister Müller, formaler Dienstherr der Bonner Marktwächter, kritisiert in einem Beitrag der Regierungspostille „Der Hauptstadtbrief“ mangelndes Engagement der Telekom-Konkurrenten. „Wie es aussieht“, schreibt Müller, wolle dort niemand „in Hardware investieren“. Empört rechnet der Berko-Vorsitzende vor, dass die Mitglieder des Verbandes bereits „eine zweistellige Milliardensumme“ in den Ausbau von etwa 50.000 Kilometern regionaler Netze samt moderner Vermittlungstechnik investiert hätten. 60.000 Arbeitsplätze seien damit entstanden. Diese „zukunftsweisende Entwicklung“ werde „im Keim erstickt“, wenn die „begonnene Liberalisierung“ nicht „konsequent fortgesetzt“ werde.

Immerhin hat Müllers Ministerium am Montag versprochen, nunmehr alle sechs Monate eine vergleichende Studie zum Stand der internationalen Telekommunikationsmärkte zu veröffentlichen. Die heute dem Dauerstreit zugrunde liegenden Zahlen, so vermutet das Ministerium, seien veraltet. Die erste Ausgabe des „Benchmark“ genannten Vergleichs beweist jedoch erneut, dass in Deutschland der Zugang zum Internet immer noch überdurchschnittlich teuer ist. Konkurrenzlos billig sind hierzulande allein Ferngespräche von höchstens drei Minuten Dauer. Leider ist dieser Vorteil für die Nutzung des Internets unerheblich. Hier entscheidet allein das Ortsgespräch zum Provider. Wenig realistisch unterscheidet die Studie auch hier nur zwischen einem „3-Minuten-“ und einem „10-Minuten“-Tarif. Zur Haupttageszeit liegt das 3-Minuten-Gespräch im europäischen Durchschnitt, deutlich billiger als anderswo wird es erst am Wochenende und werktags nach 21 Uhr. Schon bescheidene Surftouren dauern aber länger, und dann gehen sie ins Geld, auch abends, aber erst recht tagsüber. Nur in Großbritannien ist das 10-Minuten-Gespräch mit etwa 65 Euro-Cent noch teurer als in Deutschland, wo es 41 Euro-Cent kostet. Alle anderen europäischen Vergleichsländer liegen deutlich unter dieser Marke.

Zu diesen Kosten hinzu kommen die Providergebühren. Laut der Studie sind sie nirgendwo so niedrig wie in Deutschland, allerdings nur deshalb, weil die Statistiker mit unrealistischen Annahmen die Zahlen schöngerechnet haben. Wer sich monatlich 30-mal ins Internet einwählt und dann insgesamt 30 Stunden surft, bezahlt dafür ungefähr 19 Euro – die Grundgebühr des Providers nicht eingerechnet. Über die tatsächlichen Kosten sagt diese Zahl daher nichts mehr aus, sie wird – wegen der Einwählgebühr der Telekom – schon falsch, wenn jemand beispielsweise 50-mal ins Netz aufbricht, dort aber nur 20 Stunden verbleibt.

Doch ohnehin entscheiden nicht täglich wechselnde Preisvorteile von Pfennigen über die weitere Entwicklung des Internets zum echten Massenmedium, sondern solide, langfristig kalkulierbare Kosten für Endkunden wie Anbieter, mit denen die in der Tat fälligen Investitionen finanziert werden können. Pauschaltarife entsprechen am ehesten dieser Forderung. Für so genannte „Schmalband-Flatrates“, also Pauschalen für Analog- oder ISDN-Zugänge, konnten die Statistiker aber in ganz Deutschland nur zwei Anbieter ausfindig machen. Sie sind mit etwa 40 Euro monatlich die teuersten in Europa – in Großbritannien ist dasselbe Angebot für die Hälfte dieses Preises zu haben.

Lediglich in der exotischen Kategorie „DSL-Flatrate“ ist Deutschland dann doch wieder Spitze. Der einzige Anbieter, die Telekom, hat es mit dem Dumpingpreis von 51 Euro monatlich geschafft, sogar noch das amerikanische Preisniveau zu unterbieten. niklaus@taz.de