Betulichkeit und Lachkrampf

■ Heute im Lichtmeß: Der Dokumentarfilm„India Express Europe“

Die Hildesheimer Kulturpädagogin Nele Kontzki und Julia Kaulbars, Studentin für visuelle Kommunikation an der Hochschule für Bildende Kunst in Hamburg, haben einen Culture-Clash produziert. India Express Europa heißt ihr Dokumentarfilm über eine Protestreise indischer Bauern quer durch Europa. Die Karawane mit über 400 Personen, verteilt auf mehrere Busse und unterschiedliche Routen, sollte eine Demonstration gegen genmanipuliertes Saatgut sein, durch das die Bauern in Abhängigkeit zu multinationalen Herstellern geraten.

Die Gruppen setzten auf Kundgebungen, aber auch auf Gespräche mit Vertretern der Firmen, die sie anklagten – erfolglos, wie man sich denken kann. Eine Angestellte von Novartis neutralisiert sehr geschickt deren Anliegen. Selbst philipinischer Herkunft, fühle sie, so gesteht sie den Filmerinnen, eine Verbindung zwischen sich und den Indern, im Übrigen habe „jeder ein Recht auf freie Meinungsäußerung“.

Aber nicht Erfolg oder Misserfolg, mithin eine politische Strategie, steht im Vordergrund des Films: Kontzi und Kaulbars wollten „die verschiedenen Sichtweisen zweier Kulturen“ ins Visier nehmen. Doch den Blick der Inder auf Europa auch durch die Kamera anschaulich zu machen, gelingt dem Film nicht. Ungewöhnlich, wie an einer Stelle des Films die indische Musik zu deutschen Gartenzwergen, bleiben immer die Inder in der gezeigten Umgebung. Daran hat die subjektive Kommentierung der Filmemacherinnen großen Anteil. Ein „Zum Glück muss ich hier nur filmen“ suggeriert eine neutrale Position, wo gerade Beteiligung hätte thematisiert werden müssen.

Sicher, die Inder kommen reichlich zu Wort. Amüsiert bis abgestoßen von der Lebensweise, die sie zum ersten Mal zu Gesicht bekommen, bringen sie eine Platitüde um die andere hervor. Und immer wieder wird „indischer Gemeinschaftssinn“ gegen „europäischen Egoismus“ ins Feld geführt.

Im Jahr der hiesigen Entgleisungen zum Thema indische IT-Kräfte entstanden, beweist der Film vor allem eins: Die Überprägung fast sämtlicher Fragen, seien sie politisch, ökonomisch oder sozial durch kulturalistische Muster. Um Statements über die „Unwirtlichkeit der Städte“, über ein schreckliches Leben zwischen „Autos und Hochhäusern“ zu bekommen, hätte man ebensogut einheimische Bauern befragen können.

Die abschließende Frage der Filmemacherinnen an einen der Inder, „Was hältst du von der politischen Situation auf der ganzen Welt?“, löst bei dem verständlicherweise nur einen Lachkrampf aus. Auch dafür braucht man allerdings kein Inder zu sein. xml

heute, 20 Uhr, Lichtmeß