Lau, aber lustig

Das Schröder’sche Fahndungsplakat – eine notwendige Nachbetrachtung

Neben dem fabelhaften Schröder-Fahndungsplakat von Laurenz Meyer soll zeitgleich in der Ideenwerkstatt von CDU-Fraktionschef Friedrich Merz an einem nicht minder fabulösen Poster zur rot-grünen Rentenpolitik gewerkelt, selbiges jedoch leider schon in der Planungsphase von der CDU-Chefin abgemerkelt worden sein. Darauf wäre zu sehen gewesen: ein grinsender Bundeskanzler mit einer fetten Cohiba im Gesicht, darunter der Slogan: „Meine Rente ist sicher.“

Eine, satirisch besehen, durchaus gelungene und lustige Plakatidee. Schade nur, dass sie nicht auch in die Produktion oder wenigstens Präsentation ging. Denn nach dem übergeschnappten Gezeter, das zuvor Meyers Steckbrief auslöste, hätte man doch zu gern auch das Geschnatter um Merzens Plakat erlebt und gern erfahren, wie das versammelte Ernstlertum in Politik und Presse, wie Schröder selbst und insbesondere auch seine Frau dieses Mal reagiert hätten.

Wir erinnern uns der Empörung nach Meyers Plakatpräsentation: Eine Infamie sei das, so entorgelte es da dem Kanzler, ein Aufruf gar zum Verbrechen, wie es noch besinnungsloser seine Gattin bezwitscherte, und auch sonst quietschte in dieser Plakat-Debatte manch Schraube um einiges mehr als sowieso schon. Von A wie abscheulich bis Z wie zynisch reichte die Palette der Bewertungen, und vor allem immer wieder auch: geschmacklos, jenes null- und nichtige Kriterium, das hierzulande aber stets keulengleich und zuverlässig zum Einsatz kommt, kaum dass einer einen Witz macht, und sei er noch so lau.

Es ist immer dasselbe affige Ritual um die Geschmacklosigkeit, die zu konstatieren es hierzulande offenbar ausreicht, wenn sie nur einer möglichst laut bebrüllt. Schon blöken’s alle nach. Nie erfährt man aber, wessen Geschmack das denn eigentlich ist, der den Maßstab für die An- oder Abwesenheit von Geschmack liefert? Etwa der von Franz Müntefering? Die scheinheilige Patzigkeit, mit der gerade dieser trantütigste aller vermeintlichen Vernünftler glaubte in der Plakatdiskussion aufwarten zu müssen, legt diese Vermutung jedenfalls sehr nahe.

Wenn überhaupt was los war an Meyers Steckbrief, dann die klägliche Rückgratlosigkeit der CDU gegenüber dem aufgekratzten Gekläffe der Steckbriefbenörgler. Geschmacklos aber war nichts an dem Plakat, es schmeckte höchstens einigen Leuten nicht. Doch muss man es deswegen gleich einstampfen und aus dem Verkehr ziehen? Müsste man dann nicht beispielsweise auch die Frisur von erwähntem Franz Müntefering als einen sehr triftigen Grund für dessen Absetzung ansehen? Im Übrigen ist die Darstellung einer erkennungsdienstlichen Behandlung ein beliebtes satirisches Fotomotiv, das immer wieder in Schüler- oder Hochzeitszeitungen oder sonst scherzigen Zusammenhängen eingesetzt wird, ohne dass bisher jemand auf die Idee gekommen wäre, einen so abgebildeten Lehrer oder Hochzeiter tatsächlich für einen Verbrecher zu halten.

Lustig ist, wenn man lachen muss. Schon so gesehen gilt es, eine Lanze für Laurenz Meyer zu brechen, weil nämlich sehr viele, mich eingeschlossen, über sein Plakat lachen mussten. Der Einwand aber der Ernstler, so dürfe man einen hohen Staatsrepräsentanten wie den Bundeskanzler nicht veralbern, erlaubt nur diese eine Antwort: Warum eigentlich nicht? FRITZ TIETZ