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: Nach skandalösem WM-Slalom fliegen die Fetzen

Aschenbrödel im Sulzacker

„Das ist ein Witz“, schimpfte Janica Kostelic, Slalom-Seriensiegerin dieses Winters, beim Weltmeisterschaftsrennen am Mittwoch in St. Anton aber bloß Fünfte. „Nur die erste und zweite Läuferin hatten faire Bedingungen“, fügte die Kroatin hinzu. Von einem „Krimi am Sulzacker“ sprachen die WM-News vor Ort, ein „Dorfrennen“ hatte die Kronen-Zeitung beobachtet, und am trefflichsten brachte den erbarmungswürdigen Zustand der weichen, mit Fallgruben gespickten WM-Strecke eine amerikanische Nachrichtenagentur auf den Punkt: „Die Piste war so schlecht, dass sie selbst durch ein Erdbeben besser geworden wäre.“

Im ersten Lauf schieden 33 der 89 Starterinnen aus, im zweiten Durchgang stürzten von den ersten 7 gleich 4. Sogar die Siegerin Anja Paerson, die mit Startnummer zwei ins Rennen gegangen war, sparte nicht mit Kritik: „Ich habe mich auf das Schlimmste eingestellt, aber das hat nicht gereicht.“ Die 19-jährige Schwedin verfügt jedoch über einen unschätzbaren Vorteil: „Je schlechter die Piste ist, desto besser bin ich offensichtlich.“ Mit einem soliden zweiten Lauf verteidigte Paerson ihren Vorsprung.

Schon vor dem entscheidenden Durchgang brachen heftige Beschwerden über die österreichischen WM-Veranstalter herein. Hauptkritikpunkt: Die Organisatoren hätten sich ausschließlich auf die ihnen heilige Abfahrt konzentriert, die am gleichen Tag stattfand, und die Slalompiste vollkommen vernachlässigt. „Bei den Herren wird für die Abfahrt alles auf den Kopf gestellt. Dort war es viel besser“, verwies Martina Ertl, die ebenfalls im zweiten Durchgang ausgeschieden war, auf das Aschenbrödeldasein der Slalomistinnen. Auch wurde kolportiert, dass die Österreicherinnen in den Wochen vor der WM auf dem Kurs trainiert hätten und man ihnen diesen Vorteil nicht mit einer Veränderung der durch einen Wärmeeinbruch ramponierten Strecke vermasseln wollte.

Von einer „Verarschung auf Kosten der Sportler“, sprach Wolfgang Maier, Frauentrainer des Deutschen Ski-Verbandes (DSV), die schärfste Kritik übten aber Gian-Franco Kasper und Kurt Hoch vom Internationalen Skiverband FIS. Präsident Kasper sprach von einer „absoluten Frechheit“ und Renndirektor Hoch, selbst ein Österreicher, warf den Veranstaltern vor, sie hätten vor der WM nicht genug unternommen.

Der Österreichische Skiverband (ÖSV) reagierte wie üblich – beleidigt und mit dem Versuch, den schwarzen Peter an die FIS zurückzugeben. Beide Organisationen waren schon kürzlich wegen einer Disqualifikation von Hermann Maier aneinander geraten und nahmen den Fehdehandschuh begeistert wieder auf. ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel machte die FIS für das Debakel von St. Anton verantwortlich, schließlich hätte der Weltverband verboten, die Piste zu vereisen und Chemikalien einzusetzen. „Die Herren von der FIS beschäftigen sich seit Tagen mit dieser Situation, passiert ist praktisch nichts“, schlug Werner Margreiter, Sportchef in St. Anton, in dieselbe Kerbe. Der unerschrockene Schröcksnadel verstieg sich in seinem Trotz sogar dazu, die für März in Saalbach geplante Mannschafts-WM abzusagen. Entsprechende Drohungen hatten Kasper schon vorher zu der spitzen Bemerkung veranlasste: „Wenn Österreich den Wettkampf nicht will, steht ein anderes Land bereit. Die Verbände stehen Schlange bei mir.“

Einen Tag später klang der Schweizer schon wieder etwas versöhnlicher. „In dem Ballon war ein wenig zu viel Luft, die sollten wir jetzt herauslassen“, sagte Kasper. Schließlich geht es nun vor allem darum, weiteres Chaos, weitere Imageschäden abzuwenden und dafür zu sorgen, dass die WM von St. Anton künftig nicht in einem Atemzug mit Morioka oder Nagano genannt wird. Als dort die Dinge nicht nach Wunsch liefen, hatte man vor allem in den Alpenländern nach Herzenslust gelästert über die unfähigen Japaner und ihr komisches Wetter. Der Männerslalom am Samstag soll jetzt möglicherweise auf der Abfahrtsstrecke ausgetragen werden.

Für Janica Kostelic, die gescheiterte Superfavoritin, die vor der WM sieben Slaloms in Folge gewonnen hatte, kommt diese Maßnahme definitiv zu spät. Die Kroatin, zuvor schon im Kombinationsslalom ausgeschieden, hat flugs eine ganz eigene Sicht dieser Weltmeisterschaft entwickelt: „Es hat mir nicht so viel ausgemacht. Es war mir hier nicht so wichtig.“ Tausende von Landsleuten, die extra nach Österreich gereist waren, um ihren Liebling zu feiern, sahen dies geringfügig anders.

MATTI LIESKE