Der strahlende Siegfried

Der ehemalige Mani-Pulite-Held Antonio Di Pietro will Bürgermeister von Mailand werden

von MICHAEL BRAUN

Es ist wohl kein Zufall, dass Antonio Di Pietro den Februar abwartete, um seine Kandidatur als Bürgermeister von Mailand anzumelden. Mailand im Februar –das hat Di Pietro schon einmal Glück gebracht: Ziemlich genau vor neun Jahren verhaftete der damals vollkommen unbekannte Staatsanwalt einen sozialistischen Provinzpolitiker.

„Mani pulite“, „saubere Hände“ hieß die Mailänder Ermittlungsaktion, die sich zum Megakorruptionsskandal auswuchs und das christdemokratisch-sozialistische Regime der Politiker Craxi und Andreotti in den Abgrund riss. Di Pietro war nur einer von mehreren an der Korruptionsfront tätigen Staatsanwälten, doch fürs breite Publikum wurde er zur Verkörperung der Reinemachaktion. Anders als die allzu intellektuell wirkenden Kollegen war er der Fahnder zum Anfassen, der strahlende Siegfried, der seine Herkunft als süditalienischer Bauernsohn nicht verleugnete. Doch die „sauberen Hände“ waren nur ein kurzer Frühling. Die alten, bestechlichen Politiker verschwanden in der Versenkung – Italien aber kürte 1994 ausgerechnet den Craxi-Intimus Silvio Berlusconi zum neuen Regierungschef. Im gleichen Jahr zog Di Pietro höchst theatralisch mitten im Gerichtssaal die Robe aus und legte sein Amt als Staatsanwalt nieder. Seine Zukunft lag in der Politik. Berlusconi bot ihm das Innenministerium an – doch Di Pietro zog es vor, abzuwarten. Erst als Romano Prodis Wahlsieg 1996 feststand, trat Di Pietro als Minister für Öffentliche Arbeiten ins Kabinett ein. Ein Jahr nur blieb er im neuen Job. Als die Rechte ihn selbst mit Korruptionsverdächtigungen unter Beschuss nahm, trat er zurück. Kaum aber waren die Vorwürfe von der Justiz ad acta gelegt, da war er wieder da: Die Koalition reservierte ihm 1998 bei einer Nachwahl einen tiefroten Senatswahlkreis in der Toskana. Für Di Pietro nicht genug.

Daraufhin brach er letztes Jahr mit der Regierung und gründete eine Partei, die schon im Namen zu erkennen gibt, wer dort das Sagen hat: „Liste Di Pietro – Italien der Werte“. Zurück zu den Wurzeln, zurück zu den goldenen Jahren von „Mani pulite“ – dies ist Di Pietros Programm. Berlusconi präsentiere den „Pol der Straflosigkeit“, schimpft er, und die Mitte-links-Regierung sei auch bloß ein „Pol des Sumpfs und des Opportunismus“; er allein dagegen verkörpere den „Pol der Legalität“. Ob die One-Man-Show mit dem Einpunktprogramm die Mailänder überzeugt, ist mehr als zweifelhaft: „Mani pulite“ ist für die meisten Italiener Schnee von gestern.