Kohl, der Freude sehr nah

Wenn das Bonner Landgericht zustimmt, entgeht Exkanzler Helmut Kohl einem Prozess – gegen 300.000 Bußgeld. Gestern durchsuchten Ermittler das Büro eines Mitarbeiters von Frank Hofmann, SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss

von SEVERIN WEILAND

Schon am Morgen waren die Stuhlreihen spärlich besetzt, tröpfelte die Befragung des Rechtswanwaltes Stephan Bender, eines Gesellschafters in der mit der CDU-Finanzaffäre verquickten Wirtschaftsberatung Kapp und Weyrauch, dahin. Gegen Mittag wurden die Reihen noch leerer, drängte es doch die meisten CDU-Mitglieder des Untersuchungsausschusses ins Foyer der Katholischen Akademie Berlin. Dort lauschten sie ihrem Obmann Andreas Schmidt, der die frohe Nachricht von der baldigen Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Helmut Kohl vor den Medien kommentierte. „Der Wind dreht sich.“

Doch bis sich Schmidt wirklich freuen kann, bedarf es letzlich eines formellen Aktes: Noch steht die Entscheidung des Landgerichts Bonn aus, ob das seit vergangenem Januar laufende Ermittlungsverfahren gegen ein Bußgeld Kohls von 300.000 Mark eingestellt wird.

Die Aussichten für den Exkanzler sind mehr als gut: Schließlich hatte gestern das NRW-Justizministerium erklärt, es sehe keinen Grund, die von der Staatsanwaltschaft Bonn beabsichtigte Verfahrenseinstellung zu beanstanden. Ausgelöst worden waren die Ermittlungen wegen der rund 2 Millionen Mark Spenden, die Kohl zwischen 1993 und 1998 einnahm und die nicht ordnungsgemäß im Rechenschaftsbericht der CDU vermerkt worden waren.

Der Ausschussvorsitzende Volker Neumann (SPD) und der Grünen-Obmann, Christian Ströbele, wollen Kohl auch nach dem Ende des Verfahrens erneut vor den Ausschuss laden. Kohl könne sich dann nicht mehr auf das Aussageverweigerungsrecht beziehen und müsse die Spender endlich nennen.

Der Ausschuss selbst steht unter Zeitdruck. Bis Ende dieses Jahres will er die Beweisaufnahme beenden. Im Sommer 2002 soll der Abschlussbericht vorliegen. Die gestrige Zeugenbefragung, unter anderem des früheren hessischen Staatskanzleichefs Franz Josef Jung, geriet nicht nur durch die Kohl-Meldung in den Hintergrund: Am Morgen hatte ein ernst wirkender Frank Hofmann, Obmann der SPD im Gremium, vor die Kameras treten müssen. Ja, es sei richtig, so Hofmann, dass am Morgen zwischen 8 und 10 Uhr das Büro eines seiner Mitarbeiter in Berlin durch die Münchener Staatsanwaltschaft durchsucht und dabei Material beschlagnahmt worden sei. Im Verlaufe des Tages bestätigte die Staatsanwaltschaft auch die Durchsuchung der Privatwohnung des Mitarbeiters. Diesem wird die Verletzung des Dienstgeheimnisses vorgeworfen.

Anlass für die Aktion war eine Anzeige der Augsburger Staatsanwaltschaft, die sich auf einen Bericht in der Süddeutschen Zeitung vom 5. Mai 2000 bezieht. Darin hatte es geheißen, aus Handakten der Augsburger Staatsanwaltschaft gehe hervor, dass hohe Stellen der bayerischen Justiz im Zusammenhang mit Schlüsselfiguren der CDU-Finanzaffäre Einfluss genommen hätten. Diese vertraulich eingestuften Handakten waren dem Ausschuss wenige Tage vor dem Artikel zugeleitet worden. Bereits Ende Juli hatte der bayerische Justizminister Manfred Weiß sich schriftlich beim Ausschussvorsitzenden Neumann beschwert, dass diese Handakten „Gegenstand der öffentlichen Erörterung geworden sind“.

Die beschlagnahmten Gegenstände und Akten wurden gestern an dritter Stelle ausgelagert, so dass sie nicht von der Staatsanwaltschaft eingesehen werden konnten. Auch ein Handy des Mitarbeiters befindet sich darunter, mit dem sich möglicherweise anhand gespeicherter Nummern Gespräche mit Journalisten rekonstruieren lassen. Hofmann hat nun Rechtsmittel eingelegt. Es müsse geklärt werden, wie weit die Immunität des Abgeordneten reiche.