Karlsruhe beglückt ganz Hessen

SPD und Grüne sehen die Arbeit des Wahlprüfungsgerichts durch den Karlsruher Richterspruch voll bestätigt, Regierung und CDU ihre Vorbehalte auch. Im Land herrscht jetzt „heitere Gelassenheit“

FRANKFURT/MAIN taz ■ Die Bündnisgrünen in Hessen reagierten gestern am schnellsten auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Normenkontrollklage der hessischen Landesregierung. Umgehend nach der Verkündung in Karlsruhe erklärten der Fraktionsvorsitzende Tarek Al-Wazir und Landesvorstandssprecher Hubert Kleinert die Entscheidung zur „Bestätigung für die Arbeit des hessischen Wahlprüfungsgerichts“. Das Bundesverfassungsgericht habe für dessen Arbeit einen klaren Rechtsrahmen gesetzt, der „ein wichtiger Beitrag zur Rechtssicherheit“ sei. Die rechtlichen und rechtspolitischen Auseinandersetzungen über die Kompetenz des Wahlprüfungsgerichts seien damit wohl beendet. Al-Wazir und Kleinert forderten die Landesregierung und die Regierungsparteien CDU und FDP denn auch auf, zukünftig auf die seit knapp einem Jahr praktizierten „parteipolitisch motivierten Störmanöver“ gegen die Arbeit des Wahlprüfungsgerichts zu verzichten.

Auch die SPD im Landtag begrüßte die Karlsruher Entscheidung. Sie bestätige die Haltung der Fraktion, sagte deren Vorsitzender Gerhard Bökel: „Damit ist die Normenkontrollklage der Landesregierung im wesentlichen gescheitert.“ Auch dass der Staatsgerichtshof jetzt die Entscheidung des Wahlprüfungsgerichts überprüfen könne, sei im Sinne der SPD. Eine entsprechende Stellungnahme des Staatsgerichtshofes selbst sei von seiner Fraktion bereits vor Monaten begrüßt worden. Bökel hofft jetzt auf eine „zügige Entscheidung“ des Wahlprüfungsgerichts. Auch er forderte die Landesregierung auf, „endlich die Verfassungsrealität zu akzeptieren und das Verfahren nicht weiter zu verzögern“.

Weiter auf Zeit spielen wird dagegen die Landesregierung unter Ministerpräsident Roland Koch. Weil das Bundesverfassungsgericht der Landesregierung jetzt die Möglichkeit eröffnet hat, gegen einen eventuellen „Schuldspruch“ des Wahlprüfungsgerichts den hessischen Staatsgerichtshof anzurufen, waren auch Koch und sein Staatsminister Jochen Riebel (CDU) mit dem Urteil zufrieden. Er sehe dem weiteren Fortgang „gelassen“ entgegen, sagte Koch, und wohl deshalb, weil das Bundesverfassungsgericht Wert auf die Feststellung legte, dass ein Verstoß gegen die guten Sitten, der die Anullierung einer Landtagswahl zur Folge haben soll, „ganz erheblich“ sein müsse. Koch hatte 1999 für seinen Wahlkampf 1,1 Millionen Mark aus den schwarzen Kassen des Prinzen Wittgenstein erhalten.

Eine ausführlichere Stellungnahme durfte dann noch der CDU-Fraktionsvorsitzende Norbert Kartmann abgeben. Der sprach sogar von einem „vollen Erfolg“ für die Landesregierung; und einer „Ohrfeige“ für das Wahlprüfungsgericht. „Die Vorstellungen des Wahlprüfungsausschusses zur Sittenwidrigkeit sind jetzt nach den Kriterien des Bundesverfassungsgerichts völlig neu zu überdenken“, sagte Kartmann. Die CDU-Fraktion sehe sich auch in ihrer Auffassung bestätigt, dass der „Wahlprüfungsausschuss“ – so pflegt Kartmann das Wahlprüfungsgericht despektierlich zu nennen – nicht letztinstanzlich entscheiden dürfe. Kartmanns angebliche Stimmung deshalb: „Heitere Gelassenheit.“

Und wie geht es jetzt weiter in Hessen? Das Wahlprüfungsgericht wird seine Beratungen fortsetzen und – nach Meinung seines Vorsitzenden – vielleicht Anfang April zu einer Entscheidung kommen. Dann ist die Hälfte der 15. Legislaturperiode des hessischen Landtags vorbei. Sollte das Wahlprüfungsgericht die Landtagswahl von 1999 tatsächlich für ungültig erklären, wird die Landesregierung den Staatsgerichtshof anrufen. Der entscheidet dann letztinstanzlich – irgendwann.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT