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: Schlappe fast ohne Folgen

Das Bundesverfassungsgericht hat weise geurteilt. Der Artikel 78 der hessischen Landesverfassung, der die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Wahlen regelt, ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Welche Überraschung. Schließlich befindet sich dieser Artikel schon seit 50 Jahren unangefochten in der hessischen Verfassung. Nichts Neues also: Das Wahlprüfungsgericht wird sich weiter mit der umstrittenen Landtagswahl von 1999 befassen, dann hat der hessische Staatsgerichtshof das letzte Wort.

Kommentar vonKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Diese ausschließlich juristische Prüfung des Bundesverfassungsgerichts hat dennoch politische Folgen. In Karlsruhe klar verloren hat die hessische CDU/FDP-Landesregierung, denn mit der Verfassungsklage wollten Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und seine Stellvertreterin Ruth Wagner (FDP) das Wahlprüfungsgericht aus der Landesverfassung eliminieren lassen, um einem erwarteten Schuldspruch durch das Gremium zu entgehen. Dass der aus schwarzen Kassen finanzierte Landtagswahlkampf der CDU im Jahre 1999 „sittenwidrig“ gewesen sei, hatte das Wahlprüfungsgericht bereits konstatiert. Diese „Sittenwidrigkeit“ ist ein jetzt auch von den höchsten Richtern dieser Republik anerkannter Grund, eine Wahl für ungültig zu erklären.

Ganz schlechte Karten also für Koch? Es sieht – zunächst – so aus. Doch das hessische Wahlprüfungsgericht muss sich jetzt auch mit der Feststellung der Verfassungsrichter befassen, wonach der erkannte Verstoß gegen die guten Sitten „erheblich“ gewesen sein muss und dass es dabei tatsächlich zu einer Beeinflussung der Wähler gekommen ist. Etwas mehr als eine Million Mark aus schwarzen Konten wurden von Koch im Wahlkampf verbraten. Ein „erheblicher“ Verstoß gegen die guten Sitten?

Die Beratungen des Wahlprüfungsgerichts werden sich in die Länge ziehen. Koch erhält so die Chance, sich und seine Regierung – trotz aller Lügen und gefälschten Rechenschaftsberichte – weiter durch die Legislaturperiode zu schleppen. Sollte dann irgendwann tatsächlich ein Schuldspruch kommen, kann der Ministerpräsident Berufung einlegen – vor dem Staatsgerichtshof. Am Ende dieser juristischen Prüfung steht wahrscheinlich sowieso schon die nächste ordentliche Landtagswahl an. Die juristische Schlacht in Karlsruhe haben Koch und Wagner verloren; aber sie werden den verbissenen Abwehrkampf gegen die renitente Opposition am Schluss wohl gewinnen – ganz unverdient.

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