Wenn Androiden von Plattenspielern träumen

Kunst, die aus dem Prozessor kommt: Die transmediale hat eine eigene Abteilung für Artistic Software eingerichtet. Nur DJ I Robot muss das Auflegen noch ein bisschen üben

Nicht immer geht Software allein in ihren handelsüblichen Alltagsfunktionen auf. Zwar hält sie Herzschrittmacher im Rhythmus und steuert Sonden auf den Mars. Aber sie kann auch noch ganz andere Dinge. Kunstwerke erzeugen, zum Beispiel. Das nennt man dann „Artistic Software“.

Seit diesem Jahr ist Softwarekunst Jahr eine eigenständige transmediale-Kategorie mit eigenem Konferenzpanel und dem obligatorischen Wettbewerb, bei dem der glückliche Gewinner am heutigen Abend ein Preisgeld von 10.000 Mark mit nach Hause nehmen darf. Andreas Broeckmann, künstlerischer Leiter der transmediale, nennt einen einfachen Grund für diese Veränderung: „Seit Jahren beschweren sich einige Künstler darüber, dass ihre ästhetische Arbeit durch die bestehenden Kategorien für medienkünstlerische Arbeit nicht abgedeckt wird.“ Aber was ist Artistic Software eigentlich? Ein Panel der transmediale sollte am Donnerstag etwas Klarheit in die Sache bringen.

Zunächst stellten die sechs zur Entausscheidung des Wettbewerbs nominierten Künstler und Künstlerinnen ihre Arbeiten vor. Lustig anzuschauen die Performance des Amerikaners Chris Czikszentmihalyi: Er hatte eine kompliziert aussehende, an eine Bombe erinnernde technische Apparatur aufgebaut, aus der an allen Ecken und Enden Kabel herausschauten. Obenauf drei Plattenteller, drei Tonarme und drei rotierende Platten. „DJ I Robot“ nannte Czikszentmihalyi sein Ungetüm, und tatsächlich ließ die in der Apparatur verborgene Software die Nadeln in den Rillen der Platten simultan oder nacheinander vor- und zurückgleiten. Ein Roboter übt Backspins: Die dabei entstehenden Geräusche erinnerten allerdings die meiste Zeit an einen dilettierenden HipHop-DJ.

Weniger lustig, dafür schöner anzusehen war die Arbeit Golan Levins. Seine „Audiovisuell Environment Suite“ ist ein interaktives Programm, das beim Antippen der Tasten des Keyboards endlose in sich variierende Effekte von Farben, Formen und Tönen produziert. Die synästhetischen Ergebnisse seiner bemerkenswerten Software konnte Levin dann leider nur ganz kurz demonstrieren. Die Zeit lief ihm davon, wie vielen anderen Künstlerinnen und Künstlern.

Dafür wurde dann im zweiten Teil des Panels ausgiebig von der Jury und den anwesenden Künstlern und Künstlerinnen diskutiert, was denn nun eigentlich die durchgängigen Merkmale von Artistic Software seien und wo und wie man sich auf dem weiten Feld der Kunst zu verorten habe. In einem Punkt waren sich alle relativ einig: Die Programme sind nicht länger bloße Hilfsmittel auf dem Wege zum Kunstprodukt, sondern im Prozessor selbst läuft die eigentliche ästhetische Produktion ab. Der Mensch schubst die Software nur an. MICHAEL SAAGER