Washingtons Schlacht ums goldene Kalb

US-Präsident Bush und seine Konkurrenten überschlagen sich mit Plänen für Steuersenkungen. Noch ist nicht klar, wer und in welchem Maße profitieren wird. Doch klar ist, dass die reichen Steuerzahler am meisten absahnen

WASHINGTON taz ■ In den USA hat die Schlacht ums goldene Kalb begonnen, auch wenn keiner weiß, wie das Opfer ausfällt. Längst besteht Konsens unter den Parteien, einen Teil der prophezeiten Etatüberschüsse für Steuersenkungen zu verwenden. Umstritten ist nur, wie viele Schnitzel serviert werden und wem. US-Präsident George W. Bush will in den nächsten zehn Jahren auf 1,6 Billionen Dollar (3,4 Billionen Mark) Staatseinnahmen verzichten.

Bush nutzte diese Woche das Podium des Weißen Hauses geschickt, um der Öffentlichkeit seinen Plan (s. Kasten) zu verkaufen. In der Staatskasse häuften sich Steuergelder, die der Gerechtigkeit halber teilweise an die Bürger zurückgehen müssten, erklärte er. Von den Steuersenkungen werde jeder profitieren. Auch die lahmende US-Wirtschaft bekomme einen Kick.

Rückendeckung erhielt Bush von US-Notenbankchef Alan Greenspan. Zwar glaubt selbst der nicht, dass Steuererleichterungen rechtzeitig kommen könnten, um die befürchtete Rezession zu verhindern. Psychologisch könnte der Trick funktionieren: Wer weiß, dass er 2001 weniger Steuern schuldet, gibt vielleicht dieses Jahr mehr aus.

Fragt sich nur, wer tatsächlich mehr Geld auf dem Konto haben wird. Laut der liberalen Forschungsgruppe „Citizens for Tax Justice“ geht der größte Batzen an die reichsten Steuerzahler. Den unteren 60 Prozent winken im Schnitt nur ein paar hundert Dollar zusätzlich im Jahr.

Gefahr droht dem Präsidenten in diesem Zusammenhang von Wirtschaftsfreunden aus den eigenen Reihen. Lobbyisten drängen auf zusätzliche Steuersenkungen, die eine weitere Billion Dollar kosten könnten. Allein, wenn Bushs Plan rückwirkend in Kraft gesetzt wird, wie er es neuerdings befürwortet, reichen seine veranschlagten 1,6 Billionen Dollar nicht.

Ob der US-Präsident sein Projekt durchbringt, hängt von seinen Überredungskünsten ab. Schon heute schmerzen Sozialabgaben und regionale Steuern Normalbürger fast genauso wie die Einkommenssteuer. Geringverdiener profitieren nicht, weil sie sowieso keine Bundessteuern zahlen. Die Gruppe der Gutverdiener dürfte wachsen – und auch die Zahl derer, die ihre Steuern zweimal durchrechnen müssen, weil sie möglicherweise mindeststeuerpflichtig sind.

Der 16. April, an dem die Steuererklärung fällig wird, ist für die meisten US-Bürger ein Tag des Schreckens. Wer das Formular verstehen will, braucht nach Behördenangaben drei Stunden und 25 Minuten und zum Ausfüllen noch mal sechs Stunden 16 Minuten. Laut Finanzamt verzichten 1,6 Millionen Bürger im Jahr auf einen Steuerausgleich, obwohl der Fiskus dadurch 2,4 Milliarden Dollar geschenkt bekommt. Die Hälfte von ihnen könnte sich ein paar hundert Dollar im Nachhinein noch zurückholen. Oder auf die Steuersenkung warten. ELLY JUNGHANS