Umweltzeugnisse umstritten

US-Forscher präsentieren neuen globalen Index zur Nachhaltigkeit: Finnland auf dem ersten, Haiti auf dem letzten Platz. Deutsche Experten: Variablen schwer zu vergleichen

BERLIN taz ■ Eine Woche lang berieten die Umweltminister aus 100 Ländern in Nairobi über erneuerbare Energien, Naturkatastrophen und den Zusammenhang von Umwelt, Armut und Gesundheit. Auf der Jahrestagung des UN-Umweltprogramms Unep ging es auch um die Frage, wie weit die nachhaltige Entwicklung vor allem in den Ländern Afrikas gekommen ist. Eines der größten Probleme dabei: Wie misst man Nachhaltigkeit?

Der neueste Versuch dazu kommt aus den USA. Ein Team der Yale-Universität hat einen internationalen Index entwickelt, mit dem die ökologische, soziale und wirtschaftliche Entwicklung in 122 Ländern verglichen werden soll. Der „Environmental Sustainability Index“ (ESI) wurde beim Weltwirtschaftsforum in Davos präsentiert.

Gewinner nach dem ESI ist Finnland, gefolgt von Norwegen und Kanada. Die USA finden sich auf Platz 11, Deutschland auf dem 13. Rang. Ganz am Ende der Liste findet sich Haiti wieder, auch China und Nigeria sind weit über Rang 100 eingestuft. Die Forscher haben 22 Indikatoren aus dem Bereich Umwelt (Luftqualität, Gesundheitsversorgung, Umweltgesetze) und 67 Variablen aus dem Bereich Lebensqualität (Schwefeldioxid in der Luft, Kindersterblichkeit, Schutzgebiete) zusammengestellt und ihre Werte gemittelt.

An der Methode zweifeln andere Wissenschaftler. Aus dem Umweltbundesamt heißt es, es sei schon merkwürdig, wenn etwa die USA mit ihrem immensen Ressourcenverbrauch einen so guten Platz einnähmen. „Der ESI sagt nicht viel aus“, meint auch Peter Bartelmus vom Wuppertal Institut. Die Indikatoren seien nicht definiert und die Zusammenfassung in einen Durchschnitt bedeute, dass alle Werte gleich schwer wiegen. „Aber man kann Kindersterblichkeit doch nicht genauso wie Luftqualität werten“, so Bartelmus. Der Forscher schlägt vor, den Wert des Naturkapitals ähnlich wie bei der Berechnung des Bruttoinlandsprodukts zu kalkulieren. Rechne man die Leistung der Natur für Zulieferung von Rohstoffen und Beseitigung von Abfällen volkswirtschaftlich hoch, komme man in Deutschland auf 60 Milliarden Mark im Jahr, die die Natur erbringe.

Den Vorsatz, in einem Index alle Kriterien für Nachhaltigkeit zusammenzufassen, hält Bartelmus für zu gewagt. Schließlich versuchten verschiedene Organisationen wie die Unep, die EU, die OECD oder die UN-Entwicklungsorganisation UNDP, mit eigenen Indices das Problem zu lösen, einen so schwammigen Begriff wie Nachhaltigkeit vergleichbar zu machen. „Aber keiner hat es bisher gewagt, diese Konstanten direkt miteinander zu vergleichen“, so Bartelmus.

BERNHARD PÖTTER