Selbstmord am Rande der Berge

Trostlose Landschaften, Autofahrten, ab und zu kommen Rückblenden vorbei: Shinji Somais „kaza-hana“ (Forum)

Gern spricht man ja von Trends, weil Trends die Bilder der Wirklichkeit so schön ordnen. Im japanischen Kino oder zumindest in dem Teil des japanischen Kinos, den man hierzulande zu sehen bekommt, scheint es zwei Trends zu geben. Zum einen also gibt es wie schon im letzten Jahr ziemlich viele japanische Filme, die auf der nördlichen, nicht allzu dicht besiedelten Insel Hokkaido gedreht werden (in diesem wie im letzten Jahr waren es jeweils allein drei im Forumsprogramm), zum anderen – und diesen Trend gibt es schon länger als die Verschiebung des Plots von der Stadt zum Land – spielt der geglückte oder scheiternde Selbstmord immer wieder eine große Rolle.

Auch „kaza-hana“, der Film des 52-jährigen Regisseurs Shinji Somai, spielt in Hokkaido. Die beiden Helden – Yasushi, ein allein lebender, junger, erfolgreicher Beamter, der seine Freizeit mit Trinken verbringt, und Yuriko, eine junge Prostituierte – sind ihres Lebens in Tokio müde. Sie fahren mit einem pinkfarbenen Jeep nach Hokkaido, der Heimat von Yuriko, wo ihre kleine Tochter, die sie seit Jahren nicht gesehen hat, aufwächst. Sie rauchen viel, während sie durch eher trostlose Landschaften fahren. Ab und zu kommen Rückblenden vorbei. Von Yasushi, der auch in Nachtbars keinen mehr hochkriegt. Oder von damals, als Yuriko ihrem Mann sagte, sie sei schwanger, und er ganz begeistert war. Ab und an unterhalten sie sich, und der Mann sagt: „Als Kind – 120 Jahre ist das her – war ich mal klasse und die große Hoffnung meiner Stadt“. Oder Yuriko fragt, ob ihm das Autofahren Spaß machen würde, und er antwortet: „Nein“ und dass es im Leben in erster Linie um Dinge gehe, die keinen Spaß machen. Abends ist der Mann immer betrunken.

Irgendwann möchte Yuriko ihre Tochter besuchen, die sie in einer Art Kloster aufwachsen lässt, wenn ich es richtig verstanden habe. Man macht ihr Vorhaltungen und sagt ihr, sie sei ja schon so lange nicht mehr da gewesen, dass ihre Tochter sie gar nicht mehr erkennen würde. Irgendwann wird Yasushi in einer Kneipe verprügelt, weil er ständig über Hokkaido schimpft, irgendwann landet das unglückliche Paar in einem Hotel am Rande der Berge.

Yasushi, dem zwischendurch übers Handy seine Kündigung mitgeteilt worden ist, ist wie gewöhnlich betrunken, Yuriko amüsiert sich leicht desperat bei einer Abendveranstaltung mit obszönen Liedern im Hotel. Jemand spricht sie an; sie sagt, sie sei eine Prostituierte. Jemand bringt einen anderen auf ihr Zimmer und sagt, der bräuchte noch Unterricht in Sachen Sex. Sie wehrt ab, der Mann drängt sie. Später unternimmt sie einen Selbstmordversuch mit Tabletten. Die nächtliche Waldlandschaft des Selbstmordversuchs hat der Regisseur voller unpathetischer Sehnsucht inszeniert. Dass Yasushi sie findet, dass sie nicht stirbt, sondern nun ein neues Leben beginnen kann, scheint nicht so sehr ein Happyend zu sein, sondern eher zufällig, was das Ende des Films umso schöner macht.

Shinji Somais stille, konzentrierte Inszenierung von „kaza-hana“ erinnert an die großen japanischen Filme der 50er- und 60er-Jahre. DETLEF KUHLBRODT

„kaza-hana“. Regie: Shinji Somai, Japan, 116 Minuten