Die Kuh muht

Der Wille zur Kunst war da, Fun aber gab’s keinen: Das „Competition Terror Screening“ bei der Transmediale

Menschen kennen eine ganze Reihe von Affekten und Emotionen, und die teilen sie ihrer Umwelt ja auch häufig genug mit. Am liebsten auf größeren Veranstaltungen oder Festen, wo sie ermuntert werden, ihrer Begeisterung oder ihrem Unmut durch anfeuerndes Klatschen, schmähende Buhrufe oder vernichtendes Pfeifen Ausdruck zu verleihen.

Freitagnacht auf der transmediale im Podewil hätte es vielleicht so eine Veranstaltung geben können. Stunde um Stunde wurden dort Videoarbeiten verschiedener Künstler gezeigt. „Competition Terror Screening“ sollte laut Info einen besonderen „Fun-Faktor“ bieten. Der Zuschauer sollte sich richtig gehen lassen können, er sollte schreien, rasseln, lachen und trampeln. Deshalb hatten die Veranstalter sich im Vorfeld darauf verständigt, nur die „absurdesten“, „lustigsten“, „vielleicht aber auch die schlechtesten“ Arbeiten vorzuführen. Ging die Rechnung auf? Nicht so ganz.

Ein Beispiel: Abwechselnd aus dem linken und dem rechten Lautsprecher ertönt ein Durcheinander von gesampelten Geräuschen und Worten. Gleichzeitig erscheinen auf der Leinwand in Sekundenbruchteilen eingesprengte Bilder: ein Elefant, ein Kind, eine Hand, ein Stück Fleisch und andere Dinge. Irgendwann wird man einer Ordnung gewahr, die die chaotische Anordnung von Bildern und Geräuschen ganz beiläufig verdrängt hat. Geräusche und Objekte entsprechen nun einander: Die Kuh macht „muh“. Das Ganze flimmert und tönt in seiner Trivialität dann noch etwa vier Minuten vor sich hin. Am Ende sind die meisten froh, dass es vorbei ist. Verwirrt ist niemand, und der Applaus hält sich in Grenzen. Sonstige Begeisterungs- oder Unmutsbekundungen gibt es keine.

Bis auf sechs oder sieben sehr interessante oder wirklich lustige Videoarbeiten, die dann zwar nicht gerade umjubelt, aber artig mit moderatem Applaus bedacht wurden, gab es in dieser Nacht vor allem Videokunst beschriebener Art: tödlich langweilige, inspirationsarme, häufig nervenaufreibende Anordnungen aus Bildern und Tönen, meist ohne narrative Elemente, um den Hals ein riesiges Etikett mit der Aufschrift „Wir bemühen uns, richtige Kunst zu machen, obwohl wir Videos drehen“.

Da wurde dann die Zeit lang, und man spürte sie besonders heftig, die Schmerzen im Hintern. Das Gros der Zuschauer indes blieb ohne sichtbare Emotionen auf seinen Stühlen kleben.

Aber es gab auch Ausnahmen: Eine fünfköpfige Gruppe von Endzwanzigern hatte das Trampeln, Buhen und Pfeifen zum Prinzip erhoben. Immer, wenn sie etwas zu langweilen oder zu nerven begann, äußerten sie so lauthals ihren Unmut.

Danach lachten sie einander an, um sich wenigstens ihrer Wirkung untereinander zu versichern. Nach einer Weile wurden sie ihres Spiels dann überdrüssig, und es kehrte wieder Ruhe ein unter den Zuschauern. Es wurde still und stiller, und irgendwann war die Veranstaltung dann zu Ende, weil niemand mehr da war. MICHAEL SAAGER