eine nebulöse flugreise mit dem bus:
von RALF SOTSCHECK
In London ist es oft neblig, das weiß jedes Kind. Warum aber haben die Maschinen einer Fluggesellschaft, die täglich mehrmals die englische Hauptstadt anfliegt, kein Radar? Weil es sich um Ryanair handelt, die Billigfluglinie, bei der es weder Tickets noch Sitzplatzreservierung oder gar kostenlose Verpflegung an Bord gibt. Und eben kein Radargerät. So ist man im Nebel aufgeschmissen.
Neulich auf dem Flughafen Luton etwas nördlich von London mussten die hoffnungsvollen Passagiere zu ihrer Verblüffung erleben, wie ein Flugzeug nach dem anderen landete, während die Ryanair-Maschine, die sie nach Dublin bringen sollte, hilflos über dem Flughafen kreiste. „Wir haben Nachricht von unserem Piloten“, verkündete das Bodenpersonal. „Er will noch einmal versuchen zu landen.“ Selbstverständlich schlug auch dieser Versuch fehl. Man erklärte uns, der Pilot habe sich für den weniger nebligen Flughafen Stansted entschieden, wir müssten ihm folgen. Mit dem Bus.
Zunächst musste sich jeder sein Gepäck aus einem Berg von Koffern zusammensuchen, was für viel Heiterkeit sorgte. Dann kam eine Ansage: Der nächste Ryanair-Flug nach Dublin sei nun zum Einchecken an den Schaltern 18 und 19 bereit. Vielleicht waren ja noch ein paar Plätze frei, so dass man nicht nach Stansted musste? „Der Flug ist auch nach Stansted umgeleitet“, behauptete die Ryanair-Angestellte. Warum dann die Ansage? „Damit wir den Leuten erklären können, dass ihr Flug nach Stansted umgeleitet ist.“ Es dauerte zwei Stunden, bis Ryanair ein Transportmittel aufgetrieben hatte. Man schickte uns zu einem Bus der Firma Dunne, in dem bereits einige Leute saßen.
Wie lange die Fahrt nach Birmingham wohl dauern werde, erkundigte sich meine Sitznachbarin. Birmingham? „Wir wollen nach Inverness“, sagte sie. „Unser Flug ist nach Birmingham umgeleitet.“ Dem Busfahrer war die Laune verdorben, als er das Gepäck der Dublin-Reisenden im Kofferraum wieder aussortieren musste. Meine Tasche stellte er auf einen Schneepflug. Es kam, wie es kommen musste: Ich merkte zu spät, dass der Schneepflug samt meiner Tasche in Richtung Startbahn verschwunden war. Es kostete viel Überredungskraft, ein Auto hinterherzuschicken.
Am Ende kam doch noch ein Bus. Neben mir saß ausgerechnet ein Flugzeugfanatiker. Er zählte alle Flugzeugtypen auf, mit denen er schon geflogen war. „Einmal durfte ich sogar im ungeheizten Laderaum eines Frachtflugzeuges mitfliegen“, erklärte er mir stolz. Ob er auch schon mal auf einer Tragfläche geflogen sei, wollte ich wissen. Nein? Das könne er haben. Falls er das Wort „Flugzeug“ noch einmal ausspreche, würde ich ihn an den Flügel der Ryanair-Maschine schnallen.
Nachdem man die Fluggäste genügend ausgehungert hatte, konnte Ryanair sie anständig melken: Ein Keks kostete umgerechnet zwei Mark, ein Tässchen Tee fünf Mark. Auf die schüchterne Frage einer Passagierin, ob nicht wegen der besonderen Umstände ein Freigetränk angemessen wäre, kicherte die Stewardess und sagte: „Das hier ist Ryanair.“
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