Mini-Entschädigung für Opfer in Polen

Die Stiftung Deutsch-Polnische Aussöhnung will den ältesten ehemaligen Zwangsarbeitern die ersten 700 Mark auszahlen – statt der erwarteten 15.000 DM. Abhängig ist dies von einer Entscheidung über die letzte Klage in den USA

WARSCHAU taz ■ In Warschau will die Stiftung „Deutsch-Polnische Aussöhnung“ den ältesten ehemaligen Zwangsarbeitern bereits im März rund 700 Mark auszahlen. Abhängig ist dies allerdings von der Entscheidung der New Yorker Richterin Shirley Kram. Am 28. Februar entscheidet sie über die letzte in Amerika anhängige Sammelklage gegen deutsche Unternehmen. Weist die Richterin die Klage zurück, wird die polnische Stiftung die 700 Mark nicht auszahlen, da dann der Deutsche Bundestag für die deutschen Firmen „Rechtsicherheit“ feststellen kann und die regulären Entschädigungszahlungen bereits im April oder Mai beginnen können.

Sollte die Richterin aber die Klage zulassen, weil die deutsche Wirtschaft noch immer nicht ihren Entschädigungsanteil in Höhe von 5 Milliarden Mark zusammenhat, wird sich der Zahlungsbeginn weiter hinausschieben. In diesem Fall wird die polnische Stiftung in Vorlage treten. Sie will ein Wertpapierdepot in Höhe von rund 56 Millionen Mark auflösen und in 700-Mark-Raten an die ältesten Opfer auszahlen. Anspruchsberechtigt sind rund 77.000 ehemalige polnische Zwangsarbeiter, die über 80 Jahre alt sind.

Bartosz Jalowiecki, der Vorstandsvorsitzende der Stiftung „Deutsch-Polnische Aussöhung“, erklärte am Freitag vor Journalisten: „Wir sind uns bewusst, dass die Entscheidung, Abschläge zu zahlen, eine dramatische ist, eine Art letzter Ausweg, den wir uns vorbehalten haben.“

Tatsächlich hatten die polnischen Opferverbände zunächst allesamt die Vorauszahlung an die ältesten ehemaligen Zwangsarbeiter abgelehnt. Zu sehr erinnerte die Summe von rund 700 Mark an die „Almosen“, wie die polnischen NS-Opfer die bisherigen Zahlungen der Stiftung „Deutsch-Polnische Aussöhnung“ nennen. Die Stiftung, 1991 gegründet, um 500 Millionen Mark „humanitäre Hilfe“ an die besonders betroffenen polnischen Opfer zu verteilen, hat diese Aufgabe bis heute nicht abgeschlossen. Die 56 Millionen Mark, die die Stiftung nun für die Abschlagszahlungen zur Verfügung stellen will, stammen noch aus diesem Fonds. Da die Stiftung den Kreis der Berechtigten wesentlich erweitert hatte, waren die ausgezahlten Summen entsprechend niedrig ausgefallen. Statt versöhnend zu wirken, hatten die meist 500 bis 1.000 Mark, die für mehrere Jahre KZ-Haft oder Zwangsarbeit ausgezahlt wurden, eher Verbitterung ausgelöst.

Dieses Mal sollte alles anders werden. Die KZ- und Ghetto- Häftlinge hatten sich auf bis zu 15.000 Mark Entschädigung eingestellt, die zur Zwangsarbeit ins Deutsche Reich verschleppten Polen auf bis zu 5.000 Mark . Die 700 Mark wirken daher wie eine Fortsetzung der bisherigen Politik der Kleckerbeträge.

Dennoch haben die Opferverbände nach langem Verhandeln zugestimmt. Der Stiftungsvorstand nämlich hatte angekündigt, dass er bei einer Weigerung der Opferverbände in aller Öffentlichkeit erklären werde, dass die Stiftung bereit sei, den ältesten Zwangsarbeitern 700 Mark vorab zu zahlen, die Chefs der Opferverbände dies aber ablehnten. GABRIELE LESSER