Woher kommen die Islamlehrer von morgen?

Der Islam etabliert sich in Europa, wenn auch von Land zu Land auf andere Weise. Was die Religionserziehung betrifft, herrschen unterschiedliche Voraussetzungen

BERLIN taz ■ Wer hat Angst vorm Kopftuch? „Um das Kopftuch gab und gibt es in den Niederlanden keine Debatte“, bestätigt Nico Landman von der Universität Utrecht in der Kaffeepause der Konferenz. „Auch nicht, wenn es Lehrerinnen tragen. Würde eine Schule eine Lehrerin ablehnen, nur weil sie ein Kopftuch trägt, dann würde das als Diskriminierung empfunden.“ Seine Kollegin Jocelyne Cesari schüttelt verwundert den Kopf: „In Frankreich wäre das unmöglich. Da gab es ja schon großen Streit um die Frage, ob man das Kopftuch bei muslimischen Schülerinnen akzeptieren soll.“

Wenn eines deutlich wurde bei der Tagung „Muslime in Europa“, dann dies: Die Länder Westeuropas stellen ihre muslimischen Bürger vor verwirrend unterschiedliche, manchmal sogar gegensätzliche Anforderungen – Ausdruck unterschiedlich gewachsener Traditionen und Strukturen, in die sich die muslimischen Neubürger nun einzufügen und ihren Platz zu finden versuchen. Im laizistischen Frankreich etwa hat der Klerus an öffentlichen Schulen nichts zu suchen. Weil aber viele muslimische Eltern ihren Kindern trotzdem gerne eine religiöse Erziehung angedeihen lassen würden, schicken sie sie in deren Freizeit oder am Wochenende in private Korankurse. Islamische Privatschulen allerdings, berichtete Jocelyne Cesari von der University of Columbia, seien in Frankreich überraschenderweise bisher nicht entstanden.

Ganz anders sieht es da in Großbritannien und den Niederlanden aus, wo Privatschulen eine lange Tradition haben und die Zahl islamisch ausgerichteter Schulen seit Jahren stetig wächst. Seit 1988 die erste islamische Grundschule gegründet wurde, sind in den Niederlanden 32 solcher Schulen entstanden. In Großbritannien sind es bereits über 80, die aber, anders als in Deutschland, allesamt ohne staatliche Förderung auskommen müssen. Die liberale Lage in Großbritannien und den Niederlanden kommt dem islamischen Pluralismus entgegen: Jede Gruppe kann ihre Schulen eröffnen, die sich in ihrem Curriculum an allgemein geltenden Lehrplänen orientieren, aber unterschiedliches Gewicht auf religiöse Unterweisung legen können. Eine Anerkennung als Glaubensgemeinschaft ist dafür nicht nötig.

Anders sieht die Sache in Deutschland aus: Hier gelten die Kirchen als „Körperschaften öffentlichen Rechts“, woraus sich eine Vielzahl an Privilegien ableiten – etwa in den meisten Bundesländern das Recht, Religionsunterricht an öffentlichen Schulen anzubieten. Dieses Modell lässt sich aber nur schwer auf die diversen muslimischen Gemeinschaften übertragen.

Weil der deutsche Staat aber Ansprechpartner von islamischer Seite braucht, um etwa in der Frage des Religionsunterrichts zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen, ist ihm an einer Interessenvertretung gelegen, die möglichst mit einer Stimme spricht. Verbände wie der deutsche Islamrat, der Zentralrat der Muslime oder die Islamische Föderation in Berlin, die sich als Partner anbieten, haben das Manko, nur eine Minderheit der Muslime zu repräsentieren. Die Mehrheit ist nicht in Verbänden organisiert. Die Zukunftsfrage lautet nun. Wer wird sich als akzeptable Interessenvertretung der Muslime in Deutschland durchsetzen? Dem Gewinner jedenfalls winken staatliche Gelder und Einfluss auf die Gestaltung des Schulunterrichts.

Ein mittelbareres Zukunftsproblem stellt allerdings auch der Mangel an qualifiziertem Lehrpersonal dar. Nicht nur Johannes Kandel von der Ebert-Stiftung wünscht sich den Islamunterricht an deutschen Schulen schließlich am liebsten „in deutscher Sprache und von in Deutschland ausgebildeten Lehrern“. Er hofft darum, die Errichtung eines Lehrstuhls für „islamische Theologie“ an einer deutschen Universität könnte für die Islamlehrer von morgen sorgen. Denn die Imame, die bisher hier zu Lande Korankurse und religiöse Belehrungen anbieten, haben ihre Ausbildung meist in der Türkei erhalten, sprechen oft nur wenig Deutsch und sind nicht selten wenig vertraut mit spezifischen Fragen, die sich aus dem Leben in Deutschland ergeben. DANIEL BAX