Keine Gnade für armenische Christen?

■ Familie: „Alle dürfen bleiben, nur wir nicht“ / Bremer Innenressort kündigt Prüfung an

Vom Wortlaut her gilt der Altfall-Erlass der Bremer Innenbehörde als der liberalste Deutschlands. Die Praxis ist weniger freizügig, wie jetzt der Fall armenischer Christen aus der Türkei belegt. Die Familie Pekmezoglu nämlich – Vater und zwei mittlerweile volljährige Töchter – soll im kommenden April in die Türkei ausreisen, wo sie laut Amnesty International als Angehörige der armenischen Minderheit von Verfolgung und Diskriminierung bedroht ist.

Dabei ernähren die erwachsenen Töchter der Familie heute den kranken Vater, ihre Mutter ist in Bremen verstorben. Auch können die Frauen nachweisen, dass ihr jetziger Arbeitgeber sie schon früher als zum Stichtag eingestellt hätte – hätten sie eine Arbeitserlaubnis bekommen.

Die Ausländerbehörde will diese Argumentation nicht gelten lassen. Zwar räumt sie ein, die jüngere Schwester Meryem, damals 15, habe Bremen frühzeitig genug erreicht, um als Altfall zu gelten. Sie war das minderjährige Kind in der nach und nach eingetroffenen Familie. Und minderjährige Kinder verkürzen im Erlass die Zeit, die eine Familie in Deutschland gelebt haben muss, um als Altfall gelten zu können. Doch nun schreibt die Behörde, die Familie habe von Sozialhilfe gelebt und die Töchter hätten – mit Hinweis auf eine Krankheit des Vaters – nie gearbeitet. Dazu sagt die jüngste Tochter: „Von Arbeitserlaubnis war nie die Rede. Wir haben uns gegen die Abschiebung gewehrt, weil wir unseren kranken Vater hier nicht alleine lassen konnten.“

Gegen ihre ältere Schwester, bei der Einreise 22 Jahre alt, werden andere Paragrafen ins Feld geführt. Die junge Frau nämlich zählte nach deutschem Recht bei der Einreise als Erwachsene und nicht etwa – gemäß dem Kulturkreis aus dem die damals unverheiratete Frau stammt – als abhängiges Familienmitglied. Ihre Brüder sind mittlerweile in Deutschland verheiratet. „In der Türkei haben wir keine Angehörigen mehr“, sagen die jungen Frauen. Doch rechtlich gilt: Als Erwachsene hätte die heute über 30-jährige Frau schon zwei Jahre vor der übrigen Familie nach Deutschland geflüchtet sein müssen, um heute aus humanitären Gründen bleiben zu dürfen.

Die Familie und auch ihr Anwalt Günter Werner, können das nicht fassen. „Alle anderen armenischen Christen haben mittlerweile ein Aufenthaltsrecht in Bremen“, sagen sie, nur diese Familie nicht. Die kleine Gemeinde, der schon Innensenator Borttscheller (CDU) vor Jahren ein kollektives Bleiberecht verwehrt hatte, kennt sich. Die Pekmezoglus haben Widerspruch gegen die Entscheidung der Ausländerbehörde eingelegt. Zugleich gehen sie gegen die negative Asylentscheidung über einen Asylfolgeantrag vor, der ihnen allerdings keinen längeren Aufenthalt verschafft. Diese Klage könnten sie auch vom Ausland aus betreiben, heißt es. Unterdessen sagt der Sprecher des Innenressorts auf taz-Anfrage. „Wir werden den Sachverhalt prüfen“. Ein Widerspruch der Familie liege seiner Behörde noch nicht vor. ede