BERLIN: ERSTE KONSEQUENZEN AUS DER CDU-AFFÄRE
: Zu spät, zu halbherzig

Bei jedem Skandal das gleiche Bild: Die Akteure handeln zu spät, und sie tun es zu halbherzig. In der Berliner CDU-Spendenaffäre musste sich der Banker und Fraktionschef Klaus Landowsky gestern von den Parteigremien auffordern lassen, lediglich eine der beiden Funktionen „zeitnah“ aufzugeben. Offiziell darf er die „Prioritätenentscheidung“ selbst treffen – in Wahrheit wird sie in den Vorstandsetagen der landeseigenen Bankgesellschaft fallen: Die Manager sind die lästigen Schlagzeilen leid, also muss Landowsky gehen. Im Fraktionsvorsitz darf er vorerst ausharren.

Die Maßstäbe, an denen ein Banker gemessen wird, sollen also in der Politik nicht gelten: Es bleibt das Geheimnis der Berliner CDU, wie sie diese Logik dem Publikum erklären will. Der faule Kompromiss von gestern ist deshalb nichts anderes als ein Abschied auf Raten. Durch einen Abgang bei der Bank wäre Landowsky auch als Fraktionschef angeschlagen. Als „lahme Ente“ könnte er sich allenfalls bis zum regulären Ende seiner zweijährigen Amtszeit schleppen. Dann hätte er wenigstens sein Gesicht gewahrt – zum Schaden der CDU und der politischen Kultur. Dass die Partei ihn vorerst gewähren lässt, hat einen simplen Grund: Ohne Landowsky würde alles nur noch schlimmer. Den Berliner Filz, dem die hauptstädtische CDU bislang die Macht verdankte, hat der Fraktionschef selbst gewebt – und ein Nachfolger mit ähnlicher Fingerfertigkeit ist nicht in Sicht. Das Schlimmste aber: Auf der Anklagebank sitzt mit Landowsky die gesamte politische Klasse aus dem alten Westberlin.

Auch der Koalitionspartner SPD tut sich schwer, Landowskys Kopf zu fordern. Einen Lagerwechsel hin zu PDS und Grünen trauen sich die demoralisierten Hauptstadt-Genossen derzeit nicht zu. Auch bei Neuwahlen, denen überdies die CDU zustimmen müsste, rechnet sich die SPD derzeit kaum Siegeschancen aus. Also spielen die Sozialdemokraten auf Zeit – und verspielen ihre Glaubwürdigkeit. Unter ihren Anhängern versteht kaum einer, warum die eigene Parteiführung die Hassfigur Landowsky so verhalten attackiert. Nicht nur der CDU-Fraktionschef muss jetzt die Prioriäten klären – auch die Berliner SPD. RALPH BOLLMANN