Schäuble for president?

CDU-Fraktionsvize schlägt Schäuble als Bundespräsident vor. Parteichefin Angela Merkel hält die derzeitige Rolle ihres Vorgängers für „angemessen“

„Schäuble wäre ein guter Bundespräsident. Er ist unbestritten einer der klügsten Köpfe, die wir haben.“

BERLIN taz ■ Wohin mit Wolfgang Schäuble? Die Spekulationen um ein Comeback des 58-Jährigen sorgen für Schlagzeilen – und neue Diskussionen in der CDU. Die Frage ist nur: Welche „herausgehobene Rolle“ soll es denn sein, die er nach Ansicht vieler Unionspolitiker übernehmen soll?

CDU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach brachte Schäuble gestern als möglichen Nachfolger von Bundespräsident Johannes Rau (SPD) ins Gespräch. „Da kann ich ihn mir wirklich gut vorstellen“, sagte Bosbach der taz, „aufgrund seiner langjährigen politischen Erfahrung und weil er unbestritten einer der klügsten Köpfe ist, die wir haben.“ Bosbach hält Schäuble für „hervorragend geeignet“, weil er in der Lage sei, „das gesamte Land, das politische Spektrum und die Menschen zu repräsentieren“.

Das Problem ist nur: Der nächste Bundespräsident wird erst 2004 gewählt. CDU-Chefin Angela Merkel reagierte denn auch äußerst zurückhaltend auf den neuesten Vorschlag: „Kommt Zeit, kommt Rat“, war ihr einziger Kommentar. Dabei könnte sich Merkel eigentlich freuen, wenn Schäuble als Kandidat fürs höchste Amt im Staate aufgebaut würde. Denn dann würden vielleicht die Gerüchte um eine mögliche Rückkehr des „klugen Kopfs“ in die höchsten Ämter der Partei verstummen.

Für Merkel und den ebenso umstrittenen Fraktionschef Friedrich Merz muss sich jeder Ruf nach Schäuble wie eine Kampfansage anhören. Und solche Rufe gab es in den letzten Tagen reichlich: „Einen Mann wie Schäuble stellt man nicht ohne weiteres in die Ecke“, sagte etwa CSU-Landesgruppenchef Michael Glos. Auch der ehemalige CDU-Verkehrsminister Matthias Wissmann bezeichnete Schäuble als „einen der besten Leute der CDU“.

Sichtlich genervt von den Lobeshymnen auf ihren Vorgänger machte Merkel gestern klar: „Das, was in den letzten Tagen spekuliert wurde, entbehrt jeden Hintergrunds.“ Schäuble habe mit der Betreuung des europäischen Post-Nizza-Prozesses im CDU-Präsidium „eine der verantwortungsvollsten Aufgaben“. Die zweifellos noch verantwortungsvolleren Posten als Fraktions- oder Parteichef sind „für diese Wahlperiode vergeben“, assistierte Bosbach, der Schäuble am liebsten ins Schloss Bellevue wegloben will. Merkel, die nicht so weit vorausdenken mag, hält Schäubles derzeitige Aufgaben für „vernünftig und angemessen“. Womit sie erneut ihrem ungeliebten Partner Merz widersprach. Der hatte am Sonntag im ZDF gesagt: „Wolfgang Schäuble hat zurzeit nicht die Aufgabe in der Politik, die seinen Begabungen und Fähigkeiten entspricht.“

Allerdings dürfte auch Merz kaum seinen eigenen Posten gemeint haben, als er den Wunsch äußerte, Schäuble sollte „wieder mehr politische Aufgaben übernehmen“. Vielleicht denkt Merz ja über Deutschland hinaus. So ist es sicher kein Zufall, dass Schäuble wiederholt in der konservativen Welt als künftiger Chef der Europäischen Volkspartei (EVP) genannt wurde. „Ob es dafür Anhaltspunkte gibt oder nicht, lasse ich mal offen“, so der stellvertretende EVP-Generalsekretär Christian Kremer zur taz. Der derzeitige EVP-Chef Wilfried Martens habe zwar seine erneute Kandidatur angekündigt, sagte Kremer gestern von Brüssel aus. „Aber so wie ich die Organisation kenne, wird das zwischen CDU und den anderen europäischen Parteien abgesprochen.“ Und da sei die Frage noch „grundsätzlich offen“. Eine Kandidatur Schäubles sei „natürlich denkbar.“

LUKAS WALLRAFF