Gen tut alles

Forschungsministerin Bulmahn steckt 870 Millionen Mark in die weitere Erforschung des menschlichen Erbguts. Schröder will zur Sicherheit einen Nationalen Ethikrat einberufen

BERLIN taz ■ Insgesamt 870 Millionen Mark ist Forschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) die Erforschung des menschlichen Erbguts in den kommenden drei Jahren wert. Damit, verkündete Bulmahn gestern auf der Pressekonferenz zur Vorstellung der ersten detaillierten Karte des Humangenoms, stelle sich Deutschland europaweit an die Spitze der staatlichen Förderung.

Auch in Tokio, London, Paris und Washington präsentierten die Wissenschaftsminister gestern die Nachricht, dass sowohl das weltweit koordinierte Human Genome Project (HGP) als auch das börsennotierte US-Unternehmen Celera Genomics diese Woche ihre „Landkarte“ der menschlichen Gene in den Wissenschaftsjournalen Nature und Science veröffentlichen.

Celera-Chef Craig Venter wurde ungewöhnlich scharf von deutschen Forschern angegriffen: Ohne die Daten des HGP wäre Venter „komplett gescheitert“, erklärte der Sprecher der deutschen Sequenzierer Helmut Blöcker. Die in Berlin versammelten Forscher bemühten sich auch, den am Vortag entstandenen Eindruck geradezurücken, der Unterschied zwischen Mensch und Wurm beschränke sich auf ein paar Gene. Tatsächlich sei es das Zusammenspiel der Gene, das den Unterschied ausmache, nicht die pure Zahl. „Wir sind schon wesentlich komplexer als ein Fadenwurm“, beruhigte Matthias Platzer vom Jenaer Institut für molekulare Biotechnologie.

Hans Lehrach, Leiter des Max-Planck-Instituts für Molekulare Genetik, warnte in Berlin davor, den unmittelbaren Nutzen der Erkenntnisse zu überschätzen. Er vermutete, dass es noch fünf Jahre dauern werde, bis man auf der Basis der vorgelegten Erkenntnisse Medikamente etwa gegen Krebs entwickeln könne.

Kanzler Gerhard Schröder kündigte gestern an, er werde in den kommenden Wochen einen Nationalen Ethikrat einberufen, der die gesellschaftliche Debatte zu Gefahren und Chancen vor allem der Genforschung „vernetzen“ solle. Eine Einrichtung, die von den Bundestagsfraktionen prompt kritisiert wurde. Dort wird Schröders Ethikrat als eine bewusste Konkurrenz zu der kritischen Enquetekommission des Bundestages wahrgenommen.

„Mir ist nicht ersichtlich“, sagte die grüne Gentechnikexpertin Monika Knoche, „welches Defizit es da zu füllen gibt.“ In der Enquetekomission sei bereits genügend „interessenübergreifender“ Sachverstand vertreten. Auch der Sprecher der SPD in der Enquetekommission Wolfgang Wodarg ist skeptisch: „Es kann nicht in Frage kommen, dass da eine Weisengruppe ex cathetra verkündet, was geht – und was nicht.“ UWI/URB

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