Mit Zwillen gegen Umweltmonster

Militantes Ökotainment: Unter dem Deckmantel der Umweltaufklärung zaubert die Berliner Stadtreinigung subversive Spielchen auf den Kinder-PC. Der Nachwuchs darf mit viel Spaß herumballern und nach Atommüll in Fässern fahnden

von WIBKE BERGEMANN

So realistisch können Computerspiele sein: Hinter einer Hecke sitzt ein böses Umweltmonster, das hier und da mal hochhüpft. Auf das breit grinsende Wuscheltier darf geschossen werden. Mit einer Zwille. Und mit Farbbeuteln. Die Zwille ist gleich vorn im Bild. Ganz groß. Per Mausklick wird das dicke, rote Gummiband gespannt. Kaum erscheint das hässliche Monster, wird gezielt und losgeballtert. Die Anleitung ist sorgfältig gestaltet und erstaunlich realistisch: Holt man zu weit aus, fliegt der Farbbeutel nach oben aus dem Bild, spannt man das Gummi zu wenig, geht der Schuss in den Busch. Ist das Monster oft genug getroffen, kommt es, völlig mit Farbe übergossen, hinter dem Busch hervor und zieht davon.

14 solcher Umweltspiele enthält die CD-ROM, die die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) zurzeit an Schulen und Kitas verteilt. Die Beilage verspricht Ökotainment: Was lernen für die Umwelt und Spaß dabei haben – toll!

Ganz harmlos kommt die Spiele-CD daher, die in Zusammenarbeit mit dem Ab&ZU-Puppentheater am Ostkreuz und Ab&Zu-Media entstanden ist. Die beiden Helden Ab und Zu leben in einem Baumhaus mitten im Wald. Überall wachsen Blümchen und stehen lustige kleine Pilze herum. Niedliche Tierchen sind im Wald versteckt und kommen ins Baumhaus gelaufen.

Alles beginnt damit, dass Ab und Zu ein Picknick machen wollen. Doch die Lichtung, zu der sie wandern, ist zugemüllt mit Autoteilen, alten Flaschen und dem üblichen Krempel. Klick, klick – plötzlich stehen drei Mülleimer im Wald, die Mülltrennung kann beginnen. Der ganze Schrott fängt an zu fliegen und muss mit dem Cursor eingefangen und in Richtung Tonne geworfen werden.

So können die Kleinen virtuell Müllsammeln und -trennen üben – das gefällt den Pädagogen. Keine Kindersicherung würde den PC vom Herunterladen abhalten. Mit bestem Gewissen lassen Eltern und Lehrer die Kleinen an solche Software. Doch nicht nur Mülltrennung wird trainiert. Ganz unauffällig schummelt die BSR auch die Anleitung zu militanten Aktionsformen am Pädagogenauge vorbei.

Mit der Zwille wird nicht nur zielen geübt, die BSR-CD gibt auch Tipps zur Verwahrung: In der Küche von Ab und Zu, in der es sich ein kleines Seepferdchen gemütlich macht, ist die Schleuder in einer Milckkanne versteckt und erscheint immer dann, wenn man die Kanne anklickt. Dass die BSR nicht irgendeine Müllabfuhr ist, weiß man seit der Plakatkampagne, auf der die Mitarbeiter vorgestellt wurden: Lange und kurze, dicke und dünne Männer grinsten von den Plakatwänden und Die Sprüche erweckten Vertrauen: „We kehr for you.“ Die Botschaft: So nett kann Müll sein.

Das scheint auch das Spiel mit den Würmern den Kindern vermitteln zu wollen. Die Wurmfamilie sitzt bei Tisch in ihrer Wohnung im Komposthaufen. Dort sollen die nützlichen Tierchen auch bleiben. Immer wenn sie davonkriechen wollen, müssen sie mit Essensresten gestoppt werden, die man ihnen mit den Cursor vor die Nase schiebt.

Doch Umweltschutz ist noch mehr: In einem Spiel hantiert ein böser Mann mit Atomfässern. Er versteckt sein Gesicht hinter einer Sonnenbrille, hat sich verkleidet – nur der kleine Trittin-Schnurrbart deutet auf seine Identität. Vor den Augen der Kinder tauscht er wie ein Hütchenspieler immer wieder blitzschnell die drei Fässer miteinander aus: Zwei sind leer, nur in einem ist ekliger Atommüll versteckt. Aber in welchem? Zeit zum Gucken, Zeit zum Üben. Bereitet die BSR die kleinen Umweltschützer von morgen schon heute auf das Katz-und-Maus-Spiel bei Castortransporten vor?

Wer nicht das Glück hat, Schüler an einer der Projektschulen zu sein, an denen die BSR die Spiele-CD verschenkt, kann den Spaß für 25 Mark kaufen. Kontakt: BSR-Unternehmenskommunikation, Ringbahnstraße 105–107 in Tempelhof oder im BSR-Gebrauchtwarenhaus in der Holzmarktstraße 19–24