Neue Hoffnung für verschuldete Hütten

Polens Stahlwerken droht der Bankrott. Investoren aus dem Westen sollen die Kohleregion retten

WARSCHAU taz ■ Aufatmen im schlesischen Kohlerevier: Kurz vor dem Bankrott der Stahlhütte „Huta Katowice“ lässt ein internationales Investitionskonsortium unter österreichischer Führung die Hoffnung der Belegschaft wieder wachsen. Bislang war jeder Versuch der polnischen Regierung, die führenden Stahlhütten des Landes zu privatisieren, kläglich gescheitert. 1998 hatte die Voest Alpine Stahl aus Österreich ergebnislos für die Stahlhütte „Huta Sendzimira“ geboten, Ende 2000 zog sich die britisch-hollandische Corus-Gruppe aus den Verhandlungen um die „Huta Katowice“ zurück. Die Privatisierungsverhandlungen werden nun erneut aufgenommen und unter den Bietern ist auch ein alter Interessent – die VA Stahl.

Die Verschuldung der Stahhütten Polens hat sich dramatisch entwickelt. Deshalb schickte die Regierung an rund 20 Stahlunternehmen weltweit ein Angebot, sich an den vier führenden Hütten Polens zu beteiligen: Sendzimira, Katowice, Florian und Cedler. Nach Auskunft des polnischen Schatzministeriums, das für die Privatisierung der Staatsunternehmen zuständig ist, haben sechs Stahlunternehmen Interesse angemeldet. Branchenkenner gehen davon aus, dass es sich bei dem westeuropäischen Konsortium neben VA Stahl um die deutsche ThyssenKrupp, die französische Usinor und die Luxemburger Arbed handelt.

Vor einer Woche erst waren 2.000 Stahlkocher der Huta Katowice auf die Straße gegangen und hatten skandiert: „Wir wollen keine Gespräche, wir wollen Entscheidungen“ und „Konkurs der Hütte Kattowitz – Katastrophe für Schlesien“. Der neue Woiwode (Bezirkschef) Schlesiens, Willibald Winkler, sagt: „Mir ist völlig klar, dass hier in Schlesien ein Zeitbombe tickt.“

Denn die Hütte steht vor dem Bankrott. Bereits im Januar verweigerten die Banken kurzfristige Kredite, so dass die Huta Katowice ihre laufende Geschäftstätigkeit nicht mehr finanzieren konnte. Seither wachsen die Schulden lawinenartig. Daraufhin stellte der Vorstand der Hütte beim Schatzministerium den Antrag auf eine Kapitalerhöhung, die in der Umschuldung von 660 Millionen Zloty (etwa 330 Millionen Mark) bestehen sollte, die unter anderem bei der Polnischen Staatsbahn (300 Millionen Zloty) und bei Kohlelieferanten und Stromerzeugern (rund 200 Millionen Zloty) aufgelaufen waren.

Das Schatzministerium aber stellt sich taub. Nicht nur haben die Beamten eine Umschuldung abgelehnt, sondern auch bei allen Privatisierungsverhandlungen darauf beharrt, dass die Investoren die Altschulden oder zumindest einen Teil davon übernehmen. Der Grund: Die Hütten arbeiten heute längst wirtschaftlich und werfen gutes Geld ab. Ohne die Altschulden, die die Huta Katowice monatlich 300 Millionen Zloty kosten, würde die Hütte längst schon schwarze Zahlen schreiben. Da die Regierung aber bislang nicht bereit ist, die Altschulden der Staatsunternehmen gegenüber anderen Staatsunternehmen zu streichen, droht der Huta Katowice nun das Aus.

Für die Region und die Stahlwirtschaft wäre das eine Katastrophe. Bei einer Schließung von Huta Katowice würden nicht nur die Stahlkocher und die Mitarbeiter der Zuliefererfirmen arbeitslos, insgesamt 17.000 Personen. Vielmehr würde der Konkurs die anderen Hütten mit den Abgrund ziehen, da die Huta Katowice so genannte Vor- und Halbprodukte herstellt, auf die die anderen Hütten angewiesen sind. Durch den Konkurs der Hütte in Katowice würde sich die gesamte Region in ein riesiges Armenhaus verwandeln. Angesichts von drohenden 100.000 Arbeitslosen, mehreren Gemeinden, die fortan zu finanzieren wären, da ja die Steuereinnahmen der Hütten wegfielen, ist die Alternative, die Altschulden zu übernehmen, wahrscheinlich die günstigere Lösung. Auf diese Einsicht der polnischen Regierung hoffen die neuen Investoren. GABRIELE LESSER