Der Last der Erwartungen begegnen

■ Blutjung und mächtig hip: JJ72, derzeitige Lieblinge der britischen Presse, im Logo

„Wir wollen Musik machen, bei der Menschen sich fühlen, wie sie es noch nie getan haben.“ So banal lässt sich der Anspruch von JJ72 in Worte fassen, zumindest laut deren Sänger, Gitarristen und Mastermind Mark Greaney. Und es geht noch weiter: „Ich glaube, dass wirklich einfache Gitarren-Musik den gleichen Effekt haben kann, wie einer Maria Callas zu lauschen. Closer von Anfang bis Ende zu hören, das ist Klassik für mich.“

Da stellt sich also ein gerade mal Schulabgänger hin und philoso-phiert über die Klassik und Zeitlosigkeit seiner Musik. Respekt. Doch lassen ihm die ungestümen Reaktionen der Musikpresse und Öffentlichkeit wohl keine andere Wahl. Ohnehin nicht gerade bescheiden in puncto heimischer Bands, saugt die britische Öffentlichkeit derzeit jeden Ton, jedes Lebenszeichen, jede Äußerung einer Band auf, die im Grunde niemand so richtig kennt. Ein wahrlich gutes Album existiert seit letztem August, schlicht JJ72 betitelt. Aber müssen die drei Jungspunde deshalb gleich auf den Thron der Götter geschleift werden? Zumal doch gerade die Engländer wissen sollten, wie schnell all ihre Wunderkinder in Vergessenheit gerieten. (Oder sind Oasis tatsächlich die „neuen Beatles“ geworden, wie inselläufig gerne herbei geschrieben?)

Und so sind auch JJ72 nicht den großen Hype wert, der um sie gemacht wird. Zumindest musikalisch nicht, was keineswegs den Wert ihres soliden Erstlings schmälern muss. Nur die Relationen sollten stimmen. Den Indie-Pop haben auch sie nicht neu erfunden, dafür schimmert zuviel Bekanntes durch: ob ihre erklärten Vorbilder Joy Division, die frühen Suede oder vielleicht die Psycho-Giganten von Radiohead.

Erklärbar wird der Hype durch ihr perfektes Verständnis der Popwelten. Ausgesprochen geschickt umgeben sich JJ72 mit einer Aura des Geheimnisvollen und der Arroganz. Das lässt Stars erahnen. Mit professioneller Hand inszeniert Greaney den Mythos um seine Person. Er hat das Gesicht eines fahlen Knaben zwischen Belesenheit und Weltschmerz, dabei nicht ganz so abgefuckt wie sein Kollege von Silverchair. Man weiß wenig über JJ72, und noch viel weniger geben sie selbst preis.

1998 fanden die beiden Dubliner Schulfreunde Greaney und Fergal Matthews (Schlagzeug) zusammen. Sie überredeten Hilary Woods, eine Zwillings-Schwester von Marks Freundin, Bass zu lernen. Sie tat es, und das Trio war komplett. Eine erste Single wurde aufgenommen, das balladeske „Oxygen“, und mit einem handschriftlichen Brief an Radiosender und Journalisten verschickt. Zielsicher wurden Anekdoten gestreut: Ausschließlich Sänger Mark wisse, was der Name JJ72 zu bedeuten habe. Teenager, die wissen, wie Neugierde funktioniert.

Und plötzlich waren sie präsent, die drei, die nie in Dublin versauern wollten. Noch vor dem Erscheinen ihrer ersten Single wollten Pulp sie als Vorband für ein Open Air, Wochen später sagte die Band dankend wieder ab, um bei Top of the Pops aufzutreten. Noch nicht viel war von ihrem Erstling zu hören, und doch tummelte sich die etablierte Brit-Pop-Prominenz – James Dean Bradfield von den Manic Street Preachers, Graham Coxon von Blur, Ian Broudie von den Lightning Seeds –, um ihrem Londoner Showcase zu lauschen. U2 haben JJ72 inzwischen für ihren Dublin Auftritt der „Elevation“-Tournee gebucht.

Wie soll man all diese lechzenden Erwartungen einlösen? Vielleicht „live on stage“, wo sie noch so viel intensiver sein sollen. Sagt man. Wenn der durchgeistigte Greaney im verzweifelten Falsett, das dem verstorbenen Jeff Buckley Respekt zollt, verlorenen Lieben hinterher jault. Bleibt also zu sehen, wie souverän Hipness sein kann, bei drei kleinen aber feinen Deutschland-Gigs. Volker Peschel

mit Turin Brakes: Sonntag, 21 Uhr, Logo