pampuchs tagebuch
: Die Intelligenz der Mäuse

Im Grunde bin ich ja ein Katzenfreund, aber seit neuestem finde ich auch großes Gefallen an Mäusen. Das hat damit zu tun, dass ich jetzt über eine „IntelliMouse“ verfüge, die mir gewissermaßen als Abfallprodukt zugelaufen ist, weil sich meine Schwester mal wieder an die Spitze des allgemeinen Modernisierungswettlaufs gesetzt und sich (nach fünf Jahren) einen nagelneuen Laptop zugelegt hat. Als Berater h. c. war ich bei den Kaufverhandlungen in einem No-Name-Laden für No-Name-Geräte in einer Münchner No-Name-Gegend dabei. Meine Funktion beschränkte sich darauf, zweimal eine wichtigtuerische Frage zu stellen und ansonsten halbwegs intelligent dreinzuschauen, damit die No-Name-Profis auch wussten, dass sie es hier mit einem ausgebufften Fachmann zu tun hatten, und nicht in Versuchung gerieten, uns womöglich irgendeine Schrottkiste anzudrehen. Das hatten sie aber offensichtlich gar nicht vor. Sie legten ganz im Gegenteil für wenig Geld noch besagte Maus drauf, und ich riet ausgebufft sofort zum Kauf. Da meine Schwester aus mir unerfindlichen Gründen dennoch weiterhin nur mit dem Touchpad arbeiten will, wieselt das Tier mit dem Rad nun um meinen ältlichen Laptop, und ich muss für den Bildlauf nicht mehr die dummen Rollbalken anklicken. Die schiebt nun Mausilein automatisch.

 Intelligenz, das sieht man, wird im Computergewerbe zunehmend wichtig. Zum IntelliUser fehlt mir aber trotz meiner Bemühungen offenbar immer noch einiges. Weil ich demnächst wieder eine größere Reise unternehme, habe ich mich mal bei den berühmten Reisehomepages umgesehen, über die man ja immer wieder Wunderdinge hört. Da ist zum Beispiel „www.Reiseplanung.de“, ein vielfach verwendbares Portal in die große, weite Welt. Als investigativer Kolumnist habe ich mir gleich die Rubrik „Philosophie“ angesehen. Das führte zwar schon beim Kopieren des Traktats in Word zu allerlei Schwierigkeiten, aber immerhin war erkennbar, dass man mit Reiseplanung.de zu einem beachtlichen Haufen (Hunderten!) von interessanten Reiseweblinks kommen kann. Und die Philosophen des Teams haben das Ganze auch noch strukturiert und bewertet – von Abenteuerreisen bis Zeitschriften. Hei, konnte meine neue Maus da Rollbalken schieben! Ich stürzte mich also in den Webpool und fand zufällig bei meinem Lieblingsstudienreiseveranstalter Marco Polo das aufmunternde Nietzsche-Zitat: „Die Welt stellt sich nur Fragen, die sie beantworten kann.“

 Das mochte einmal so gewesen sein, bei Reiseplanung.de und den angeschlossenen Links musste ich dann aber erleben, dass sich die Welt seit Nietzsche offensichtlich verändert hat. Die weite Webwelt kann der Gute nicht gemeint haben. Bei den von mir gestellten Fragen – etwa nach Flugverbindungen innerhalb von Südamerika – nämlich verhedderte ich mich bei allen vorgeschlagenen Links regelmäßig im Netz. Die gesuchten Antworten – Routen, Preise und Termine – fand ich jedenfalls nicht. Ich gebe aber zu, dass ich beim ungezielten Larifari-Herumsurfen eine Menge Überflüssiges erfuhr.

 Was lernen wir daraus? Die Webwelt von heute gibt vor allem Antworten auf Fragen, die keiner gestellt hat. Die Philosophen des Netzes suchen keine Antworten, sondern Fragen – und zwar so viele wie möglich. Ob die dann beantwortet werden können, ist eher nebensächlich. Logisch, dass für diese neue Philosophie auch eine neue Art der Intelligenz nötig ist. Nennen wir sie provisorisch die „Intelligenz der Mäuse.“ Auch die IntelliMouse sucht schließlich keine Antworten. Aber beim Rollbalkenschieben im Internet macht ihr so schnell keiner was vor. Noch Fragen?

THOMAS PAMPUCH

ThoPampuch@aol.com