Terror regiert Nahost

Schwerstes Attentat seit vier Jahren in Israel. Acht Tote und zwanzig Verletzte. Palästinenser lenkt Bus in Gruppe israelischer Soldaten. Bekennerbrief spricht von Rache für Mord an Arafat-Offizier

JERUSALEM taz ■ Ein folgenschweres Attentat hat gestern die mörderischen Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern offenbart. Ein palästinensischer Busfahrer lenkte am Morgen sein Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit in eine Gruppe wartender Soldaten. Acht Menschen fanden den Tod, zwanzig weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Der Fahrer versuchte zunächst in seinem Bus zu fliehen. Die Polizei verfolgte ihn und gab mehrere Schüsse auf den Bus ab, der daraufhin mit einem Lastwagen zusammenstieß. Die Polizei umstellte das Fahrzeug in der Annahme, dass der Bus mit Sprengstoff beladen sei. Erst eine Stunde später wurde der schwer verletzte Attentäter in ein Krankenhaus transportiert.

„Wir sind eine starke und entschlossene Nation“, erklärte der noch amtierende Premierminister Ehud Barak nach dem Attentat. „Wir werden dafür sorgen, dass die Verantwortlichen ihre Strafe erhalten werden.“ Wie weit der „lange Arm Israels“ reiche, habe am Vortag die Erschießung eines Leibwächters von Palästinenserpräsident Jassir Arafat erwiesen, der für Angriffe auf israelische Soldaten verantwortlich gemacht wurde.

Zu dem Attentat bekannte sich gestern die bislang unbekannte palästinensische Gruppe „Brigade der Wiederkehr“. In dem Bekennerschreiben heißt es, dass das Attentat ein Vergeltungsakt für die Exekution vom Vortag sei. Nach Auskunft von Familienangehörigen gehörte der 35-jährige Attentäter jedoch keiner Widerstandsorganisation an. Der Mann arbeitete seit fünf Jahren als Fahrer der israelischen Busgesellschaft „Egged“. Ein Sprecher der Gesellschaft erklärte, dass alle palästinensischen Fahrer „peinliche Sicherheitsprüfungen“ bestehen müssten, bevor sie vom Staat Israel eingestellt würden. Der Busfahrer transportierte Arbeiter aus dem Gaza-Streifen. In den vergangenen Monaten soll er, nach Aussagen eines Bruders, nur wenige Tage gearbeitet haben, was seine Familie in eine schwierige finanzielle Situation brachte. Zudem sei er über die Erschießung palästinensischer Kinder durch israelische Soldaten tief empört gewesen.

Die palästinensische Führung erklärte, dass Israel das Attentat mit der Exekution des palästinensischen Sicherheitsbeamten provoziert habe. „Gewalt führt zu Gewalt“, sagte ein Sprecher der Autonomiebehörde. Der Mordanschlag auf den Arafat-Leibwächter war bei der Autonomiebehörde auf Empörung gestoßen. Von einem „Regime des Terrors“ hatte der palästinensische Justizminister Freih Abu-Meddein gesprochen. Auch die Europäische Union hat gestern die Exekution von Arafats Offizier verurteilt. In einer Erklärung der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft heißt es, die israelische Aktion behindere die Bemühungen um Frieden und könne weitere Gewalt provozieren. Seit Beginn der Intifada hat Israel auf diese Weise mehr als zwanzig Palästinenser getötet.

Für den künftigen israelischen Premierminister Ariel Scharon beweist das Attentat, dass „Terroristen nicht zwischen Tel Aviv und Hebron unterscheiden“. Scharon erklärte, das zentrale Ziel seiner Politik sei, „den Bürgern Israels ihre Sicherheit zurückzubringen“. Mit Blick auf die bevorstehende Koalition zwischen Arbeitspartei und Likud kommentierte Barak: „Wenn wir entschieden zusammenstehen, werden wir siegen.“ Letztendlich sei jedoch einzig eine „Trennung zwischen den Völkern“ ein Weg zur Sicherheit, wenn „ein Frieden nicht erreicht werden kann“.

Die israelischen Militärs reagierten mit einer erneuten völligen Abriegelung der Palästinensergebiete. Auch der Flughafen im Gaza-Streifen wurde wieder geschlossen. Israel hatte erst diese Woche einer Öffnung zugestimmt, um muslimischen Pilgern die Reise nach Mekka zu ermöglichen. Das israelische Sicherheitskabinett traf am Nachmittag zusammen, um über weitere Maßnahmen zu beraten.

SUSANNE KNAUL

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