Bremer Innenstadt – Top oder Flop?

■ Die hbv schlägt Alarm, weil Läden in der Bremer City dicht machen. Der Einzelhandels-Verband dagegen konstatiert „hervorragende Entwicklungen“. Sogar Oldenburger werden gesichtet

JPC, der CD-Shop in der Lloyd-Passage, schließt Ende März. Zehn Beschäftigte verlieren den Arbeitsplatz. Im September folgt die Wohlthat'sche Buchhandlung am Brill. Sechs Angestellte. Schon zum Jahreswechsel hatte das Kleidungsgeschäft Boecker Schluss gemacht. Die meisten Geier kreisen derzeit über dem Technikkaufhaus Brinkmann. 160 Menschen könnten auf der Straße stehen.

Die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (hbv) zeichnete daher gestern ein düsteres Bild: Ein „mörderischer Wettbewerb“ tobe im Einzelhandel, für den nicht zuletzt „politische Fehlentwicklungen“ in der Ausweisung immer neuer Einzelhandelsflächen am Stadtrand verantwortlich seien. An die Adresse der Händler ging der Vorwurf, noch immer keine einheitlichen Öffnungszeiten in der City eingeführt zu haben. „Kein Wunder, dass die Leute zum Weser-Park fahren, da haben die Läden verlässlich geöffnet“, sagt Gewerkschaftssekretär Richard Schmid. Für einheitliche Öffnung bis 20 Uhr ist er aber auch nicht, zumal die nicht mehr Arbeitsplätze geschaffen hätten. Nicht zuletzt macht die Gewerkschaft hohe Mieten in der Bremer Innenstadt für die Misere von Brinkmann, Boecker und JPC verantwortlich.

„Ja, sprechen die denn von einer anderen Stadt?“, wundert sich dagegen der Sprecher des Einzelhandelsverbandes, Wolfgang Brakhane. Auch er bedauert die Schließungen, „aber das sind Marktgegebenheiten“. Der Musikmarkt sei nicht erst seit gestern ruinös. Das habe zur Geschäftsaufgabe von JPC geführt. Und zur Boecker-Schließung weiß er: „Vor zwanzig Jahren hat fast jede Frau einen Pelzmantel getragen, heute kann man damit fast nicht mehr auf die Straße.“ Nach seiner Einschätzung hat die Innenstadt in den letzten Jahren eine hervorragende Entwicklung genommen. Das Herrengeschäft Ansons, der Luxus-Laden Joop in der Sögestraße, nicht zuletzt die Wiedervermietung des Boecker-Hauses an Esprit, die dort einen Mega-Store einrichten wollen, sind für ihn gute Signale. „Bevor die hierher kommen, machen die doch eine Marktanalyse.“ Nachdem das Verhältnis lange umgekehrt gewesen sei, würde nun sogar Oldenburg mit seiner feinen City Kundschaft an Bremen verlieren. Zu verdanken sei dieser Trend nicht zuletzt dem Innenstadt-Sofortprogramm, einem 90 Millionen-schweren Investitionspaket, das zur Abmilderung der Space-Park-Folgen mit seinen 44.000 Quadratmetern Einzelhandel aufgelegt wurde.

Zeitgleich mit der Kritik der hbv beschlossen Baudeputation und Wirtschaftförderungsausschüsse gestern zwei Maßnahmen zum Wohle der Innenstadt. Für den Ausbau des Herdentorsteinwegs und eine neue Haltestelle bewilligten die Gremien 3,7 Millionen Mark. Auch soll eine neue Wallpassage Schüsselkorb und Wall verbinden.

Für die Gewerkschaft ist das alles nur Fassade im wahrsten Sinne des Wortes: „Mit einem teuren Pflaster in der Innenstadt und einem Fassadenprogramm kann man die City nicht retten“, kritisiert sie das Sofortprogramm. Ihrer Ansicht nach sind es genau solche Ansiedlungen wie der Space-Park oder der Ausbau des Roland-Centers, die mit dem Segen oder der finanziellen Unterstützung der Politik die Innenstadt in Bedrängnis bringe.

Konkrete Lösungen hat man freilich bei der Gewerkschaft nicht parat. Die hbv fordert politische Absprachen Bremens mit der Weser-Ems-Region über Warensortimente und Einzelhandelsflächen. Und ohne genau sagen zu können, wie, klagt sie politischen Einfluss auf die Ladenmieten ein. Einzig konkrete Idee: Wenn die Kundschaft die Beratung in der Innenstadt nur nutze, um dann auf der grünen Wiese das empfohlene Produkt billiger zu kaufen, müsse man eben eine Beratungsgebühr erheben. hey