Ein starkes Stück

■ Verstörend und radikal und für die Abschaffung der Männer plädierend: Angela Richters „Versaut“ auf Kampnagel

So sind sie, die Männer. Eben noch hat der Kerl im Napoleon-Kostüm einen auf romantisch gemacht, seiner Begleiterin Luftballons aufgeblasen, schwimmende Kerzen angezündet und verliebte Blicke zugeworfen, da steht er auf einmal auf und herrscht sie an: „Ich will dich sodomieren.“

Die Männer. Was soll man bloß mit ihnen machen? Abgeschafft gehören sie, glaubt man Angela Richters Diplominszenierung Versaut, die jetzt im Rahmen der Reihe Fertig... Los! - Diplom 2001 auf Kampnagel Premiere hatte. Das Stück ist ein radikaler Abgesang auf die Männerwelt: Es verstört, provoziert und amüsiert – und manchmal nervt es auch.

Geschickt verquickt Richter den utopisch-grotesken Roman Schweinerei der französischen Schriftstellerin Marie Darrieussecq mit Auszügen aus dem feministischen Manifest der Warhol-Attentäterin Valerie Solanas sowie Texten von Rainald Goetz, Friedrich Nietzsche und dem Marquis de Sade, die alle kompromisslos das Geschlechterverhältnis beleuchten.

Im Mittelpunkt des Romans wie auch der Inszenierung steht eine Kosmetikerin, die vor Jugend und Gesundheit nur so strotzt. Immer rosiger und fülliger wird sie – was ihrer männlichen Kundschaft zunächst sehr gefällt –, aber auch immer borstiger und fetter, bis sie sich phasenweise in ein Schwein verwandelt. Parallel zu ihrer körperlichen Verwandlung ändert sich auch die politische Situation: Der faschistische Diktator Edgar übernimmt die Macht, sein Terrorregime verbannt Frauen an den Herd, eliminiert alles „Ungesunde“ und wirft alle Ausländer aus dem Land.

Ein Wagnis, diesen memoirenartigen Roman auf die Bühne zu bringen. Und ein Wunder, wie gut Angela Richter die theatrale Umsetzung gelingt – ganz ohne Schweinskostüm und billige Effekte, sondern subtil und phantasievoll. Wie eine Heilsverkünderin hebt Vivien Mahler die nackten Arme über den Kopf und erzählt mit begeistert-naiver Stimme von ihrer schleichenden Verwandlung, zu ihren Füßen applaudieren die Zuhörer. Nur eine Frau steht abseits und kommentiert verächtlich „Männer!“ oder „Scheiße!“ Eine zusätzlich eingeführte Kunstfigur, die zunächst noch irritiert, später mit platten feministischen Parolen eher abstößt. Ob Richter das so beabsichtigt hat?

Was hingegen klar herauskommt, sind Opportunismus und Mitläufertum. Eben hat die Kleine im Mini (Melissa Logan) noch die Frau auf dem Podest angehimmelt, da klatscht sie schon begeistert zur Wahlrede des späteren Diktators Edgar. Und zum Schluss hält sie, die fast 90 Minuten lang kein Wort gesprochen hat, selbst eine lange Rede: über die Abschaffung des Mannes. Und der Mann neben mir im Publikum klatscht begeistert Applaus. Karin Liebe

nur noch heute, 19.30 Uhr, Kampnagel, k1