Gut, dass wir mal drüber geredet haben?

Das vermeintlich breite Desinteresse am Umweltschutz, so ein Forschungsprojekt, basiert auch auf Kommunikationsfehlern der Aktivisten. Milieus mit differierenden Naturbildern brauchen unterschiedliche Kampagnen, die über fachliche Begründungen hinausgehen

von VOLKER ENGELS

Der moralische Zeigefinger im Naturschutz ist weit verbreitet: Damit die Nachgeboreren dem lieblichen Gesang des Rotkehlchens auch in fünfzig Jahren noch lauschen können oder das Feuchtbiotop am Dorfausgang den Fröschen auch weiterhin ein gemütliches Domizil bieten kann, appellieren Behörden oder Naturschutzverbände an die Bürger, endlich umzudenken. Die meisten dieser gut gemeinten Appelle laufen jedoch ins Leere. Hat ein Großteil der Bevölkerung heute schlicht kein Interesse mehr an Naturschutz- und Umweltfragen und kümmert sich lieber um den Stand des Aktiendepots als um den Bestand der heimischen Wälder? Oder liegt das vermeintliche Desinteresse viel mehr daran, dass Politiker und Funktionäre die falsche Sprache wählen? Die Botschaft, so gut sie auch gemeint ist, kommt offensichtlich nicht an.

Bereits vor einigen Wochen hatte der Vorsitzende des Berliner Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) auf das Problem hingewiesen, Jugendliche für Umweltschutzkampagnen zu begeistern. „Wir schaffen es nicht, in dem Maße Jugendliche an uns zu binden, wie wir es uns wünschen“, so Harald Kächele im taz-Interview. Daher müsse man deutlicher machen, „dass es ganz einfach auch Spaß machen kann, bei uns mitzumachen“.

Mit einem Forschungsprojekt zu Lebenstil und Naturschutz wollen die Universität Kassel und das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung diesem Mysterium zu Leibe rücken. Die Grundidee des Projektes: Es gibt keine einheitliche Bevölkerung, sondern zahlreiche Bevölkerungsgruppen, die sich jeweils in ihren Lebensgewohnheiten, ihren Erfahrungen und Werten unterscheiden. Was der einen Gruppe als gutes Argument zum Naturschutz erscheint, langweilt oder ärgert die andere. Welche Kommunikationsformen für welche Lebenstilgruppen am besten geeignet sind, beleuchten die Forscher aus sozialwissenschaftlicher Sicht. Das Ziel: Der Naturschutzgedanke soll für breitere Bevölkerungsgruppen zugänglich gemacht werden.

„Für den Naturschutz gab es in der Vergangenheit meistens eine rein fachliche Begründung“, erläutert Fritz Reuswigg vom Potsdamer Klimainstitut das Projekt. „Dabei wurde zu wenig auf die Einbettung in die lokalen Lebenswelten geachtet“, kritisiert der promovierte Soziologe. Stattdessen sei es wichtig, das Anliegen „vor Ort“ zu verankern und stärker als bisher regionale Aspekte zu berücksichtigen. Naturschutz dürfe nicht alleine als hoheitliche Aufgabe verstanden werden, die verordnet werden könne. Vielmehr gehe es darum, klar zu machen, dass es eine gesellschaftliche Aufgabe sei, die „im Interesse aller Bürger liegt“.

Um das zu erreichen, führen die Wissenschaftler Expertenbefragungen durch und werten bereits vorliegende Studien aus. Außerdem werden Telefoninterviews geführt, in denen Bürger etwa zu ihren grundsätzlichen Einstellungen zum Naturschutz befragt werden. Aber auch den „Naturbildern“ soll nachgegangen werden. Dabei geht es zum Beispiel darum, etwas über die Wunschvorstellungen von einer Landschaft in den Köpfen der Bevölkerung zu erfahren. Während die eine beim Stichwort Natur an die wild-romantische Flusslandschaft denkt, liegt dem anderen der heimische Vorgarten eher am Herzen. Neben unterschiedlichen „Naturbildern“ gibt es auch noch unterschiedliche Milieus, die einer angemessenen Ansprache bedürfen und schon länger Gegenstand der sozialwissenschaftlichen Forschung sind: Der eher hedonistische Typus spricht auf andere Botschaften an als der traditionelle oder postmoderne Mensch.

Das Forschungsprojekt untersucht aber nicht nur die Empfänger von gut gemeinten Appellen, sondern auch die Sender: Behörden, Parteien oder Naturschutzverbände. „Bei denen, sagt Ernst-Dieter Lantermann, „liegt auch noch einiges im Argen.“ Sowohl in der internen Kommunikation als auch in der Darstellung von Umweltprojekten nach außen, meint der habilitierte Psychologe von der Uni Kassel, „werden große Fehler gemacht“. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts könnten dazu beitragen, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen gezielter angesprochen werden können und Streuverluste vermieden werden.

Am Ende des Forschungsprojekts, das mit 200.000 Mark vom Bundesamt für Naturschutz gefördert wird, wird es kein „Rezeptbuch geben“, erläutert Fritz Reuswigg. „Wir können aber Sensoren für die richtige Grundrichtung entwickeln.“ Man darf gespannt sein, welche Umweltschutzkampagne den Lebensstiltypus „Sicherheitsfanatiker“ und die „Hedonisten“ gleichermaßen überzeugt. Vielleicht ein Plakat, auf dem ein kiffender Frosch im Wohnzimmer mit Blümchentapete Rock ’n’ Roll tanzt.

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