NPD nicht gleich KPD

Verfassungsrichter: Für Parteiverbot ist neuer Maßstab erforderlich. Gericht bietet Vorschau auf Entscheidungen

KARLSRUHE taz ■ Am Bundesverfassungsgericht soll bereits in diesem Sommer eine Vorentscheidung über das von der Bundesregierung beantragte NPD-Verbot fallen. Dies teilte der federführende Richter Hans-Joachim Jentsch am Donnerstagabend in Karlsruhe vor Journalisten mit.

In Karlsruhe wurden bereits vier neue wissenschaftliche Mitarbeiter eingestellt, um das Mammutverfahren vorzubereiten. Jentsch geht davon aus, dass ein „angemessener Maßstab“ für ein Parteiverbot neu erarbeitet werden muss, es könne nicht einfach auf die Urteile der 50er-Jahre zurückgegriffen werden. Jentsch war früher CDU-Abgeordneter im hessischen Landtag und im Bundestag sowie Justizminister in Thüringen.

Er „strebe an“, noch vor der Sommerpause zu klären, ob die Verbotsanträge zulässig und hinreichend begründet sind. Wenn der Zweite Senat, dem acht RichterInnen angehören, diese Entscheidung mit Zweidrittelmehrheit trifft, kann das eigentliche Verfahren mit einer ausgedehnten mündlichen Verhandlung beginnen. Jentsch wies allerdings darauf hin, dass bisher in Karlsruhe erst der Verbotsantrag der Bundesregierung eingegangen ist, während die Anträge von Bundestag und Bundesrat noch fehlten. Sollten diese erst spät eingereicht werden, könnte dies seinen Zeitplan gefährden, gab Jentsch zu bedenken. Einstweilen hat die NPD sechs Wochen Zeit, auf den Schriftsatz der Bundesregierung zu antworten.

Außerdem will sich das Bundesverfassungsgericht in diesem Jahr mit den Verfassungsbeschwerden gegen die Ökosteuer und das von den Kirchen angegriffene neue Brandenburger Schulfach LER (Lebensgestaltung – Ethik – Religion) befassen. Auch die in Berlin sehnlichst erwartete Entscheidung zur Besteuerung von Altersrenten steht auf dem Karlsruher Jahresplan. Es ist allerdings noch offen, ob das Gericht hier eine mündliche Verhandlung anberaumt, was das Verfahren weiter in die Länge ziehen würde.

Keine Entscheidung wird Karlsruhe im Nürnberger Kopftuchstreit fällen. Hier hatten sich zwei iranische Asylbewerberinnen per Verfassungsbeschwerde dagegen gewehrt, dass sie vor ihrer Abschiebung in den Iran zwangsweise mit einem Kopftuch fotografiert werden sollten. Nach der mündlichen Verhandlung im letzten Jahr sind die beiden Frauen inzwischen jedoch in die USA ausgewandert. Das Verfassungsgericht sieht deshalb kein „Rechtschutzbedürfnis“ mehr. CHRISTIAN RATH