Mehr Bafög für mehr Studenten

Fast alle Fraktionen wollen dabei sein: PDS, Union und Rot-Grün beschließen das neue Bafög-Gesetz. 81.000 Schüler und Studenten aus ärmeren Familien kommen neu in die Förderung. Aber die große Reform scheitert am Machtwort des Kanzlers

von CHRISTIAN FÜLLER

Der PDS war es bei der gestrigen Debatte um die neue Studienförderung (Bafög) vorbehalten, die ganze Wahrheit zu sagen. Die PDS-Bildungsexpertin und Oppositionspolitikerin Marita Böttcher nämlich war so gelassen, die Regierung für einen Moment zu loben: Rot-Grün habe endlich den Rückgang des Bafögs gestoppt und für eine „gravierende Ausweitung“ der Mittel und der Geförderten gesorgt. Das sei gut, sagte Böttcher, aber eben nicht die große Reform, die Rot-Grün versprochen hatte.

Die vom Bundestag beschlossene Bafög-Reform sieht in ihren wesentlichen Zahlen so aus, dass zusätzlich 81.000 Schüler und Studenten aus ärmeren Familien Ausbildungsförderung erhalten werden. Die Höchstförderung für den einzelnen Studi steigt auf 1.140 Mark (bisher 1.030 Mark). Zugleich wird ab dem 3. Semester mit Bafög auch ein Studium in EU-Nachbarländern bis zum Examen möglich. Das ist neu.

Für das Bafög-Gesetz, das am 1. April in Kraft treten wird, stimmten dann auch CDU/CSU und PDS mit der Koalition. Die FDP enthielt sich – und damit begann der eigentliche Streit.

Die FDP machte sich nämlich plötzlich einen Bafög-Entwurf zu Eigen, den sie bislang nie besonders wichtig gefunden hatte: Das Bafög für alle, auch Drei-Körbe-Modell genannt, das vom Studentenwerk stammt. Den Liberalen, so sagte die Vizefraktionsvorsitzende Cornelia Pieper, gehe die verabschiedete Bafög-Reform nicht weit genug. Sie erinnerte SPD und Grüne an das Wahlversprechen, Kindergeld und Steuerfreibeträge der Eltern zu einer einheitlichen Grundförderung (von rund 500 Mark) für alle Studenten zusammenzufassen. Bundeskanzler Schröder hatte diese große Bafög-Reform durch eine Intervention Anfang letzten Jahres verhindert. Darauf reagierte die FDP nun hämisch, denn der Kanzler habe damit die von allen Experten für machbar erklärte Systemumstellung des Unterhaltsrechts zunichte gemacht.

Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD), die damals die Schmach des Kanzler-Machtworts traf, wollte das nicht auf sich sitzen lassen. Sie hob das neue Bafög heraus, weil mit den vorgesehenen jährlichen Mehrausgaben in Höhe von 1,3 Milliarden Mark die Zahl der Bafög-Geförderten wieder auf 445.000 steigen werde (bei rund 1,8 Millionen Studierenden insgesamt). „Mehr junge Menschen erhalten mehr Geld“, sagte sie – und verlor kein Wort mehr über die großen Pläne einer Studienförderung für alle.

Die zweite Überraschung neben der FDP boten die Grünen. Für sie ging erstmals der Umweltpolitiker Reinhard Loske ans Pult, der nun auch hochschulpolitischer Sprecher ist. Loske sagte, die Türen, die man in den 70er-Jahren für die Arbeiterkinder aufgemacht habe, seien in den 90er-Jahren wieder verschlossen worden. Einer Untersuchung zufolge studieren von 100 Kindern aus ärmeren Familien nur 8. Von 100 Kindern aus reicheren Familien finden 75 den Weg in die Hochschule. (mit dpa, afp)

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