Schön bleiben, mit den Pfunden wuchern

Orte, Magistrale, Wasser und Parks: Die Stadtentwicklungsbehörde hat einen Generalplan entworfen, an dem sich der Weiterbau Hamburgs orientieren soll  ■ Von Gernot Knödler

Hamburg ist schön. Damit es so bleibt, hat die Stadtentwicklungsbehörde (Steb) ein Leitbild entwerfen lassen, an dem sich die künftige Entwicklung der Stadt orientieren soll. Das Gutachten „Stadtgestalt Hamburg“, von einem Team Berliner StadtplanerInnen unter Mitwirkung von zwei Dutzend Behörden-MitarbeiterInnen erarbeitet, ist in den beiden vergangenen Wochen im Architektur Centrum erstmals öffentlich diskutiert worden.

Er habe „die konstitutiven Elemente der Stadt“ herausarbeiten wollen, sagte der Gutachter Heinrich Suhr einleitend. Elemente, die derart prägend für das unverwechselbare Stadtbild Hamburgs seien, dass ihnen im Grunde „Verfas-sungsrang“ zugesprochen werden müsse. Sie bildeten einen Rahmen, der den Spielraum für die architektonische Gestaltung der Stadt bestimmen sollte.

Da wären zunächst die Orte der Stadt, die Mittelpunkte der jeweiligen Stadtteile. Das, was die meis-ten Menschen vor Augen haben, wenn sie an Ottensen denken, an Langenhorn oder die Hamburger Straße. „Weil sie das Grundmuster der Gesamtstadt erklären“, schreibt Suhr, „sollen die Orte erkennbar bleiben“ und deshalb weiterentwickelt werden – ganz gleich, ob es sich um die Kerne ehemaliger Dörfer, die zentralen Plätze von Nachkriegssiedlungen oder Einkaufszentren handelt.

Angelehnt an Fritz Schuhmachers „Palmzweig“-Modell für die „natürliche Entwicklung“ Hamgburgs benennen die Gutachter sechs Magistralen – Hauptstraßen, die die wichtigsten Entwicklungsachsen der Stadt bilden: Richtung Wedel, Richtung Kiel, nach Langenhorn und weiter nach Kaltenkirchen, die Bramfelder und Saseler Chaussee Richtung Bargteheide und die B 75 nach Lübeck. Dazu kommt die B 73 von Harburg Richtung Cuxhaven.

Wer diese Straßen entlang fährt, soll nach Ansicht der Gutachter den Aufbau der Stadt in einem Querschnitt erleben. Er soll erkennen, wo die Quartiere unterschiedlicher Entwicklungsepochen aufeinander stoßen. Knotenpunkte sollen ihm prägnante „erste und letzte Bilder der Stadt Hamburg vermitteln“. Zwei Achsen orientieren sich nicht an Straßen: der Reiherstieg, der die City mit Harburg verbindet, und das Industrie- und Marschland beidseits der Bille zwischen der Innenstadt und Harburg. In beiden Fällen ist die Art der weiteren Entwicklung offen.

Am Beispiel des Reiherstiegs exerzierte Suhr die allseits gewünschte Öffnung der Stadt zum Wasser durch, wie sie ja auch mit der Hafencity geplant ist. Hamburg soll mit dem Pfund seiner Lage am Wasser wuchern, indem es Orte am Wasser durch besondere Bauten oder Ausblicke akzentuiert; Wohnungen, nicht nur Büros, sollen bis ans Wasser heran oder auf dem Wasser gebaut, die Ufer allen Menschen erschlossen werden. Im Falle des Reiherstiegs schlugen die GutachterInnen vor, die „geplante Hafenquerspange als Chance für die Gestaltung des Ortes“ zu nutzen.

In der Debatte wurde deutlich, dass die verschiedenen Gewässer sehr unterschiedlich behandelt werden müssen: So bezeichnete es Günter Wilkens von der Hochschule für bildende Künste (HfbK) als „kontraproduktiv“, dass er als Architekt zurzeit die Ufer der ehemaligen Industriekanäle Ise- und Osterbek-Kanal renaturieren soll. Für die Elbinsel Wilhelmsburg regte Oberbaudirektor Jörn Walter an, die Landschaft wiederherzustellen.

Das Marschland Richtung Bergedorf können sich die Gutachter als grüne Achse vorstellen. Der „Billewerder“ solle ein Raum moderner Kulturlandschaften werden und sich damit in den Kranz großer Parks einfügen, der sich zwischen den Ringen zwei und drei um die innere Stadt legt. Zu den vorhandenen Parks könnten auch die ausgedehnten Grünanlagen in den Nachkriegs-Wohngebieten Farmsens kommen – im Wesentlichen dadurch, dass sie als Einheit betrachtet und geschützt werden.

Die Schaffung weiterer Parks sei nicht sinnvoll, hielt Bernd Gundermann von der HfbK dagegen. Keine europäische Großstadt sei dünner besiedelt als Hamburg. Eher stelle sich die Frage: „Wie verhindern wir, dass Hamburg überall so aussieht wie Farmsen?“ Die naheliegende Idee, aus Konversionsflächen Parks zu machen, wurde nicht diskutiert. Walter betonte, mit den ehemaligen Gewerbe-, Bahn- und Kasernen-Gebieten stünden „empfindlichste Räume für die Gestalt der Stadt zur Disposition“, etwa am Bahnhof Altona. Die Stadt müsse stark sein, um das Stadtbild auf Konversionsflächen gegen die Inte-ressen von Investoren weiterentwi-ckeln zu können, meinte die Architektin Barbara Brakenhoff.

Ein ähnliches Problem wirft die Diskussion um die zulässigen Bauhöhen auf. „Es kann nicht sein, dass jedes renommierte Architektenbüro glaubt, mal ein Hochhaus bauen zu müssen“, formulierte Jörn Walter. Hamburg habe sich einmal grundsätzlich gegen den Frankfurter Weg entschieden. Gleichwohl gebe es auch in Hamburg viele Orte, an die Hochhäuser passten.

Die Gutachter haben vier Plateaus ermittelt, die zur Innenstadt hin ansteigen. Sie plädierten dafür, dieses Plateaus zu halten oder sie en bloc anzuheben. Höhensprünge sollten bewusst gesetzt werden. Diese seien dabei nicht mit Hochhäusern zu verwechseln, warnte Suhr: „Hamburg ist weitgehend dreistöckig – wenn sie da mal fünfstöckig bauen, haben sie die Wirkung eines Höhensprungs.“

Ein Debatten-Teilnehmer warnte vor dem schleichenden Höhenwachstum in der Innenstadt, das mittelfristig die Stadtsilhouette gefährde. Dazu kommt: Sind Hochhäuser einmal da, bekommt man sie nicht mehr weg. „Hochhäuser schaffen einen Mehrwert, der nicht mehr von dem Grundstück runterzukriegen ist“, warnte Ulla Luther von der Landesentwicklungsgesellschaft Berlin.

Gegen den Druck der InvestorInnen muss auch der Raum in der Innenstadt als öffentlicher Raum verteidigt werden. Suhr plädierte dafür, diesen in der Alt- und der Neustadt so zu konzipieren, dass er eine „Einladung zum Gehen“ darstellt.

Viele dieser Ansprüche werden nur durchzusetzen sein, wenn sie bei den HamburgerInnen breiten Rückhalt finden. Mit dem Gutachten und der dazu gehörenden Ausstellung im Architektur Centrum in der ehemaligen Post am Stephansplatz, will die Stadtentwicklungsbehörde die Debatte um die künftige Gestalt Hamburgs eröffnen.

Die Ausstellung ist noch bis 23.2. geöffnet: mo-fr, 10-17 Uhr, do bis 19 Uhr. Finissage mit Podiumsdiskussion am 23.2., 17 Uhr