Boomender Markt für Menschenhandel

Die in Frankreich gestrandeten Flüchtlinge kamen über die Türkei nach Westeuropa. Das Land ist Drehscheibe für illegale Einwanderer

ISTANBUL taz ■ Die Türkei gehört zu den bevorzugten Transitländern für Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa. Die meisten kommen aus dem angrenzenden Irak oder Iran, aber auch für etliche Pakistaner, Inder, Tamilen oder Afghanen ist die Türkei die letzte Station vor der Festung Europa. Dabei ist es schon nicht ganz einfach, illegal in die Türkei zu kommen. Zwar ist die Grenzregion zum Iran/Irak bergig und für die türkischen Grenztruppen schwer zu kontrollieren, andererseits werden auch immer wieder Menschen bei dem Versuch erschossen, unerkannt in die Türkei zu gelangen, weil die Soldaten sie für Militante der kurdischen Arbeiterpartei halten.

Flüchtlinge, die möglichst schnell weiterwollen, setzen sich in der Osttürkei in einen Bus und kommen schnurstracks nach Istanbul. Aksaray, ein überlaufenes und heruntergekommenes Viertel im historischen Teil Istanbuls, ist die bevorzugte Adresse für illegale Transitreisende. Obwohl durch spektakuläre Geschichten von gestrandeten Schiffen wie jetzt in Frankreich der Eindruck entsteht, die meisten Flüchtlinge versuchten ihr gelobtes Land per Schiff zu erreichen, ist es tatsächlich nach wie vor der Landweg, über den die meisten ihr Glück versuchen. In Istanbul werden die Lastwagenfahrt nach Griechenland vermittelt oder Gruppen für den mühsamen Fußweg zusammengestellt. Jeden Tag sollen hunderte so versuchen, nach Westeuropa zu kommen.

Nachdem Griechenland, nicht zuletzt auf Druck aus Brüssel, seine Grenze immer mehr aufrüstet, weichen viele Schlepper auf Bulgarien aus, von wo die Leute oft nach Sarajewo gebracht werden. Diejenigen, die den Seeweg nach Griechenland bevorzugen, gehen meistens nach Izmir. Von hier und den kleineren südlichen Küstenorten sind die griechischen Inseln oft nur einen Katzensprung entfernt. Nach Piräus weiterzukommen, ist dann schwieriger. Hier legen die begehrten Fähren nach Italien oder nach Frankreich ab. Um in Piräus unerkannt an Bord zu kommen, haben mehrfach Flüchtlinge so lange in engen Containern auf Lkws ausgeharrt, bis sie erstickt sind.

Wie in jedem Geschäft gibt es auch unter Schleppern seriöse Adressen und schwarze Schafe. Je schwieriger der Weg nach Europa wird, umso besser für die Menschenhändler. Für sie steigen die Preise.           JÜRGEN GOTTSCHLICH