Unbehagen über die aggressive Strategie

In der Frage, wie ein Machtwechsel im Irak zu erfolgen hat, sind sich die wichtigsten Protagonisten im Team von George W. Bush uneins

WASHINGTON taz ■ Der selbst ernannte Konservative mit Herz ist ein Oberkommandierender mit Biss: Diese Botschaft sandte George W. Bush der Welt und dem eigenen Volk, als er den Befehl zur Bombardierung irakischer Radarstellungen in der Nähe von Bagdad erteilte. Im selben Atemzug deklarierte er den Militäreinsatz zur Routine, um ihn doch nicht allzu hoch zu hängen.

Zwar ist der neue US-Präsident fest entschlossen, das Werk seines Vaters zu vollenden und den verhassten irakischen Staatschef Saddam Hussein zu entmachten. Doch wie das bewerkstelligt werden soll, wird innerhalb der neuen Regierung der Vereinigten Staaten, die erst seit dem 20. Januar im Amt ist, noch kontrovers diskutiert.

Für die US-Außenpolitik ist Saddam Hussein „die Mutter aller Hinterlassenschaften“. Das Regime von Sanktionen, Inspektionen und Überwachungsflügen, das der frühere US-Präsident George Bush, der Vater des amtierenden George W., gegen Irak aufgebaut hatte, ging unter seinem Nachfolger, dem Demokraten Bill Clinton, zu Bruch.

Fast hundert Millionen US-Dollar, die als Hilfe für die irakische Opposition bereitstehen, flossen unter Clinton nur tröpfchenweise ab. Dass Iraks Präsident Saddam Hussein trotz seiner militärischen Niederlage von 1991 weiter im Amt ist, schmerzt Golfkriegsveteranen wie den damaligen Verteidigungsminister und heutigen Vizepräsidenten Dick Cheney.

Cheneys Meinung wiegt schwer, denn in der neuen Bush-Regierung ist er der Herr des Dschungels. Der Vize hat mehr Macht und Einfluss als die meisten seiner Vorgänger in diesem Amt. In den vier Wochen seit dem Amtswechsel in der US-Hauptstadt konnte er seine Leute an entscheidenden Schaltstellen platzieren. Als Verteidigungsminister installierte er seinen ehemaligen Mentor Donald Rumsfeld, über dessen Schreibtisch der Befehl zum Angriff auf den Irak am Donnerstag ins Oval Office gelangte.

In der Auseinandersetzung darüber, wie der Machtwechsel in Irak herbeigeführt werden kann, gehören Cheney und Rumsfeld zu den Falken. Gemeinsam mit dem republikanischen Senator Jesse Helms, der dem Außenausschuss im Oberhaus des US-Kongresses vorsitzt, wollen sie die irakische Opposition militärisch aufrüsten, um Saddam Hussein von innen zu stürzen.

Bedächtigeren Regierungsmitgliedern wie US-Außenminister Colin Powell behagt diese aggressive Strategie ganz und gar nicht. Der Mann, der zu Zeiten des Golfkriegs Generalstabschef war, traut der aus dem Exil agierenden irakischen Opposition nicht zu, allein mit Hilfe von ein paar US-Militärberatern und dem nötigen Kriegsgerät zum Ziel zu kommen. Er fürchtet, die Vereinigten Staaten könnten wie seinerzeit in Vietnam in einen Krieg an der Seite eines unzuverlässigen Partners verwickelt werden.

Der Außenminister plädiert deshalb dafür, den irakischen Staatschef mit besser zugeschnittenen Sanktionen unter Druck zu setzen. Darüber hinaus hofft er die alte Golfkriegskoalition wiederherzustellen, bevor über ein größeres Militärengagement nachgedacht wird. Ende der Woche reist er in die Region, um die ehemaligen arabischen Verbündeten zu mobilisieren. Die Luftangriffe machen seine Mission nicht leichter: Kritik kam aus Paris und Moskau ebenso wie aus Kairo und Damaskus.

Ob Präsident Bush in der Irakpolitik eher auf Dick Cheney oder auf Colin Powell hören wird, könnte auch davon abhängen, wer sich insgesamt als stärkste außenpolitische Kraft in der neuen US-Regierung durchsetzt. Zwar genießt der über alle Parteigrenzen hinweg angesehene Außenminister als einziges Kabinettsmitglied eigenständige Popularität. Doch bei internen Ränkespielen zieht er bislang gegenüber Cheney den Kürzeren. So versuchte er vergeblich, seinen Vertrauten Rich Armitage als stellvertretenden Verteidigungsminister im Hause Rumsfeld unterzubringen. Der Vizepräsident setzte mit dem Falken Paul Wolfowitz seinen Kandidaten durch.

Dennoch wäre es riskant, Cheney schon jetzt zum Sieger der Debatte um die künftige Strategie der USA gegenüber dem Irak zu erklären – oder die Luftangriffe vom Freitag als ersten Akt eines erneuten Golfkrieges zu bewerten. Bush sei es vorerst nur darum gegangen zu demonstrieren, was in ihm stecke, meint der texanische Politikwissenschaftler George Edwards. „Er hat gezeigt, dass er Entschlusskraft besitzt, und dass er vor Gewalt nicht zurückschreckt.“ ELLY JUNGHANS