„Wir geben nicht auf“

■ Wirtschaft in Bremen oder: Werner Schroeters Film „Die Königin“ ist nun schon das vierte ambitionierte Kinoprojekt, welches die 1998 gegründete Bremer Produktionsfirma MIRA stemmt. Einfach ist das nicht

Helen Vita ist gestorben. Brigitte Mira lebt. MIRA auch, wenn auch unter schwierigen Bedingungen. Die Raumstation MIR dagegen wurde stillgelegt. Weshalb das hier Erwähnung findet? Weil es eine Beziehung – und zwar eine gänzlich unMIRAculöse – gibt zwischen MIR und MIRA. Genau genommen sind es sogar zwei. Und diese zwei heißen Elke, Elke Peters und Elke Bormann. Die beiden waren beteiligt an der Produktion des Dokumentarfilms „Out of the Present“, der den Zerfall der UdSSR aus einer höchst ungewöhnlichen Perspektive darstellte, nämlich der eines MIR-Kosmonauten, der als Sowjetgenosse ins All startete und ein dreiviertel Jahr später als Russe landete. Und es war Elke Peters, die für Regisseur Andrei Ujica die Wege in die Filmarchive der russischen Raumfahrtbehörde öffnete und die ersten Weltraumaufnahmen, die je mit einer 35mm-Kamera gemacht wurden, organisierte.

Damals arbeiteten die beiden Elkes noch beim Bremer Institut Film/Fernsehen (BIFF). Das wurde 1989 gegründet, einerseits um den deutschen Autorenfilm zu fördern, andererseits um jene Millionenaufträge abzuschöpfen, die die Privatsender seinerzeit für die Zuteilung von Sendefrequenzen zu blechen hatten. Die FAF, die die Strippen in der Bremer Filmbranche zog, ging unter Ex-SPD-Staatsrat Hans-Helmut Euler Mitte der 90er im Schuldensumpf unter und mit ihm wenig später die BIFF. Was bleibt sind so wichtige Filme wie das Adolf-Eichmann-Porträt „Ein Spezialist“ und Helke Sanders „Befreier und Befreite“.

Peters und Bormann machten sich damals, das war 1998, selbstständig und nahmen einige offene Projekte aus BIFF-Zeiten mit zu MIRA. Darunter Werner Schroeters Marianne-Hoppe-Porträt. MIRAs Kontakte zur Filmbranche sind aber wesentlich älter als das BIFF. Elke Peters Herz schlägt nämlich schon seit 25 Jahren für den Film. Unter anderem arbeitete sie als Produzentin für Größen wie Rosa von Praunheim und Elfi Mikesch.

Bei MIRA herrscht Arbeitsteilung. Peters macht Produktionsleitung und Finanzierung, Bormann koordiniert Produktion, eine Arbeit, von welcher der Kinobesucher nichts sieht und noch weniger weiß. Einen Eindruck vom Volumen dieses Jobs vermittelt die Zahl der Aktenordner, die sich im MIRA-Büro im Viertel türmen. Bei einem Film wie „Die Königin“ sind es 13 Stück. In Ordner Nr. 7, File Nr.11 etwa wird jeder Drehtag in ein Sammelsurium von Zahlen aufgesplittet. Filmmeter: 684, Drehzeit: 11h-13.30h, Beleuchter: zwei, Tänzer: null, Sänger: null – schließlich dreht man kein Musical. Dann die Abrechnungen für den Mercedes für Frau Hoppe und den Opel Astra für die Crew; Catering, Honorarabrechnungen, Verhandlungen mit Kopierwerken ...

Doch es gibt auch eine Arbeit jenseits dieser Routine. Durchquatschte Nächte auf der Dachterrasse mit Schroeter oder dickleibigen Grungemusikern. Das ging so: Der Spielfilm „Schrei des Schmetterlings“ handelt von einer jungen Rocksängerin, die an Leukämie erkrankte. Angedacht war für den Soundtrack Willy de Ville. Doch der wollte seinen Neffen mit in die Produktion reindrücken.

Deshalb röcheln jetzt die genialen „Tito & Tarantula“, die schon die Horrorgroteske „From dusk till dawn“ spektakulär aufrockten. Dann die Frage des Plakats. Schreckt ein chemotherapiertes, glatzköpfiges, stirnerunzelndes Mädchen das junge Zielpublikum ab? Muss die Schnittfassung nochmal mit dem Regisseur und den Cuttern überarbeitet werden?

Wichtige Fragen. Doch im Moment gibt es wichtigere für MIRA. Sie betreffen die Zukunft des Unternehmens und auch des Filmstandorts Bremen. Filmfinanzierung ist Flickwerk – und meistens fehlt vor Produktionsbeginn ein Flicken, manchmal leider auch danach. MIRA arbeitet überregional. Das heißt man zapft die Filmförderung von Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen an. Bei den vier Kino-Produktionen, die man neben vielen TV-Beiträgen stemmte, war SFB, Arte, ZDF und 3 Sat Coproduzent. Zurzeit ist ein Psychothriller in Planung. Und MIRA hätte nichts dagegen, den bei einem Privatsender unterzubringen. In letzter Zeit beteiligen sich die großen Verleihe – Constantin, Buena Vista, Senator ... – in zunehmendem Maße an den Produktionskosten, nur leider nicht bei MIRA.

Denn die arbeiten nicht für Vilsmaier & Co, sondern eben für eine Elfi Mikesch. Und deren grandiose Porträts, etwa über einen U-Bahn-süchtigen Kaspar-Hauser-Menschen oder über einen halbblinden Maler, sind wenig massenträchtig. Nicht, dass Peters und Bormann etwas dagegen hätten, wenn die Wachowski-Brüder anklopfen würden, um Matrix 2 in Bremen zu produzieren. Aber bei den beiden Elkes ist es eben ein Werner Schroeter, der klopft. Und irgendwer muss schließlich aufmachen, auch wenn Schroeter in der Branche als schwierig verrufen ist.

Schwierig ist es auch, in Bremen eine Nische für den deutschen Autorenfilm aufzureißen. Hie und da gibt es kleinere Unterstützungen von der Bremer Investitions Gesellschaft (BIG). Aber einen klaren Willen für einen Filmstandort Bremen können Peters und Bormann dort nicht erkennen. Sie wollen gerne in Bremen beiben. Oder in Bremerhaven, das freundlicher zu Neugründungen ist. Doch Filmemachen ist wie Roulettespielen. „Die Königin“ ist vorgeschlagen für die Nominierung zum Deutschen Filmpreis. Das Renommee und die kleine sechsstellige Preissumme für eine solche Nominierung würden im Moment nicht gerade schaden. bk